Der Blurb – zu Deutsch „Klappentext“, „Information“, „Waschzettel“, aber auch „Material“. Ein Wort, das viele Belange der DIN EN ISO 10993-18:2021-03 in einem Begriff zusammenfasst. Wieso das so ist? Nun, die Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 18: „Chemische Charakterisierung von Werkstoffen für Medizinprodukte im Rahmen eines Risikomanagementsystems“ ist mehr als nur die Ablage eines Materialdatenblatts. Zusammen mit unserem Partner, Hohenstein Medical, möchten wir Ihnen die Erfordernisse dieser Norm sowie weiterer Normen der EN ISO 10993- Reihe näherbringen.

Die Normenreihe ISO 10993 deckt verschiedene Aspekte der biologischen Beurteilung von Medizinprodukten ab und leistet einen wichtigen Beitrag zur Demonstration der Sicherheit eines Medizinproduktes. Sie ist anwendbar, wenn das Material oder Medizinprodukt direkt oder indirekt mit dem Körper in Berührung kommt (Kategorisierung nach ISO 10993-1).

Prinzipiell müssen Hersteller die Risiken der Stoffe bewerten, die beim Patienten ankommen könnten. Sehen Sie auch weitere unserer Artikel zu diesem Thema:

Sind die Ausgangsstoffe bekannt und werden auch nicht mehr durch weitere Produktionsprozesse verändert, sind ggf. keine weiteren Prüfungen mehr notwendig.

In den meisten Fällen jedoch werden im Produktionsprozess noch relevante Veränderungen vorgenommen. Beispiele sind thermische Belastung, Polymerisation, das Kleben, oder auch ein Sterilisationsprozess. Außerdem sollte das Produkt über den Lebenszeitraum bewertet werden. Daher ist häufig die ISO 10993-18: Chemische Charakterisierung von Werkstoffen für Medizinprodukte im Rahmen eines Risikomanagementsystems hinzuzuziehen.

Sie beschreibt ein Verfahren, die chemischen Bestandteile eines Medizinproduktes zu identifizieren, zu quantifizieren und dadurch Hersteller und Materiallieferanten bei der biologischen Bewertung zu unterstützen. Die chemische Charakterisierung kann auch für Abbauprodukte verwendet werden (weiterführende Informationen zu anderen Aspekten der Bewertung von Abbauprodukten sind beschrieben in den Normen ISO 10993-9, ISO 10993-13, ISO 10993-14 und ISO 10993-15).

Bei der Durchführung dieser Untersuchungen unterstützt uns regelmäßig das auf Prüfung, Zertifizierung und Erforschung Textiler Produkte spezialisierte Hohenstein Medical mit seiner Expertise. Seit 2020 kooperieren wir eng und regelmäßig bei der Prüfung von Produkten. Öffentliche Beispiele unserer Zusammenarbeit sind:

In Projekten bereiten wir als seleon mit dem Biologischen Bewertungsplan den Weg für eine sinnvolle Prüfstrategie, die wir in Zusammenarbeit mit den Experten von Hohenstein detaillieren und durchführen können. Hiervon profitieren die Auftrag gebenden Hersteller.

Das Hohenstein Institut stellt sich und seine Methodik vor

Als akkreditiertes Prüflabor und zuverlässiger Partner unterstützen wir Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette dabei, ihre Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen. Denn dafür ist der neutrale Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte essentiell. Als Prüfinstitut und Forschungspartner verstehen wir uns vor allem als Lösungsanbieter und treten stets in den Dialog mit den Kunden und unterstützen sie durch interdisziplinäres Wissen auch mit individuellen Prüfmethoden außerhalb gängiger Prüfstandards.

Die Zusammenarbeit mit seleon aus Sicht des Instituts Hohenstein

Die Zusammenarbeit funktioniert stets reibungslos und wir nehmen seleon als sehr offenen und professionellen Partner wahr. Der Austausch findet stets auf Augenhöhe statt, und die unterschiedlichen Kompetenzen unserer Unternehmen ergänzen sich gut, so dass wir unsere Kunden optimal unterstützen können. Selbstverständlich gilt dies in beide Richtungen.

Produktarten und Produktklassen, für die Hohenstein die chemische Charakterisierung anbietet

Die chemische Charakterisierung nach DIN EN ISO 10993-18 kann prinzipiell für jedes Medizinprodukt durchgeführt werden, unsere Erfahrungen liegen aber primär im breiten Feld von Medizinprodukten der Klasse 1. Aufgrund unserer Firmenhistorie prüfen wir aktuell hauptsächlich textile Produkte, die Tests sind aber auch auf alle anderen Arten von Materialien ausgelegt, so dass wir hier keine Einschränkungen haben.

Ermittlung der notwendigen Probenvorbereitung und Extraktion

Die Anwendung und Zweckbestimmung des Produkts ist auch hier ausschlaggebend.

Hierfür benötigen wir zunächst mehrere Informationen von unseren Kunden:

  • Aus welchem Material besteht das Produkt?
  • Welche Fläche steht im Kontakt mit dem Patienten/Anwender?
  • Wie lange ist die Kontaktzeit?

Der Kunde erhält zu Beginn ein Auftragsdatenblatt, auf dem er die ihm bekannten Informationen vermerken kann. Sind die darin enthaltenen Daten noch nicht ausreichend, erfolgt eine erneute Rücksprache. Ist ein Produkt beispielsweise zu groß und müsste für eine Extraktion zerteilt werden, so ist es von Vorteil, wenn dies der Kunde dementsprechend vorbereitet.

Welche Probenvorbereitung jeweils geeignet ist, wird im Vorfeld mit dem Kunden abgeklärt.

Grundsätzlich werden von Hohenstein Medical die Extraktion in Methanol und n-Hexan angeboten. Darüber hinaus gibt es noch weitere Extraktionsmöglichkeiten – Anhang D der Norm bietet in Tabelle D1 eine Übersicht der Lösungsmittel, die üblicherweise für die Extraktion von polymeren Medizinprodukten/Materialien verwendet werden:

Polarität

Lösemittel

Polaritätsindex

Polar

Wasser

10,2

Semi-Polar

Dimethyl Sulfodixe

7,2

Acetonitrile

5,8

Methanol

5,1

Aceton

5,1

Ethanol

4,3

Tetrahydrofuran

4,0

n-Propyl Alkohol

4,0

i-Propyl Alkohol

3,9

Dichlormethan

3,1

Unpolar

Toluol

2,4

Cyclohexan

0,2

Heptan

0,1

n-Hexan

0,1

Die von uns angebotenen Extraktionsmöglichkeiten bilden jedoch einen Worst-Case Fall ab. Falls andere Extraktionen erforderlich sein sollten, gehen wir hierauf selbstverständlich ein und beraten hinsichtlich der methodischen Durchführbarkeit.

Ein Beispiel aus dem Alltag: Es wird eine Extraktion in wässriger Lösung angefragt, die nur mittels einer Head Space Methode analysiert werden kann. Unglücklicherweise können hierbei gewisse Substanzen, wie Weichmacher, gar nicht detektiert werden, da sie nicht in die zur Analyse genutzte Gasphase übergehen. Unsere Empfehlung lautet daher, ein Lösemittel z.B. nicht nur nach der Anwendung auszuwählen, sondern bei der Wahl auch den Worst-Case Fall zu betrachten.

Erstellen Sie Berichte inklusive toxikologischer Bewertung?

Nein, der Bericht wird von Hohenstein Medical in Form einer Auflistung der detektierten Substanzen erstellt, deren extrahierbare Menge oberhalb des AET (= Analytical Evaluation Threshold) liegt. Eine Bewertung wird nicht durchgeführt. Kann der Kunde die Bewertung der vorliegenden Werte mit Blick auf sein Medizinprodukt nicht eigenständig vornehmen, so muss er im Anschluss einen geeigneten Toxikologen hinzuziehen.

Chemische Charakterisierung unter der MDR

Sie fragen sich nun, inwieweit diese Norm auch für Ihr Medizinprodukt mit niedriger Risikoklasse anwendbar ist? Sie sind es bislang gewohnt, sich basierend auf der Übersichtstabelle der ISO 10993-1 sowie Kontaktart und -dauer die anwendbaren Tests herauszusuchen und getrennt „durchzutesten“. In diesem Fall raten wir Ihnen, einen Blick in die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen, Anforderungspunkt 10 im Anhang I der MDR zu werfen. Wenn Sie nun Ihre Teststrategie überdenken möchten, stehen Ihnen Hohenstein Medical als Prüfdienstleister und die seleon GmbH als kompetente Berater gerne zur Seite. Damit der Blurb am Ende richtig sitzt.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.