Im Zuge der Umstellung von MDD 93/42/EWG auf die neue MDR 2017/745 werden die alten MEDDEV-Dokumente, die unter der MDD galten, nach und nach durch MDCG-Leitfäden unter der MDR und IVDR ersetzt. Auch wenn diese Leitfäden nicht rechtlich bindend sind, wird zu Berücksichtigung und Umsetzung geraten.

Bedeutung der Leitfäden

Die MDCG-Leitfäden, die die Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung thematisieren, sind nicht rechtsverbindlich, die Anwendung wird jedoch allgemein erwartet. Mit ihnen wird Artikel 105 der MDR umgesetzt, in dem sie u. a. zur „wirksamen und harmonisierten Durchführung der Verordnung“ beitragen sollen.

Aufgaben der MDCG

Die Medical Device Coordination Group – zu Deutsch Koordinierungsgruppe Medizinprodukte – wird durch die MDR überhaupt erst etabliert. Sie besteht aus mindestens einem, maximal zwei Experten aus jedem Mitgliedstaat und maximal zwei Stellvertretern, die alle Experten im Bereich von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika sind und auf eine Dauer von drei Jahren ernannt werden.

Neben der Erstellung von Leitlinien für die harmonisierte Umsetzung der MDR ist die Koordinierungsgruppe auch an der Überwachung des technischen Fortschritts, an der Weiterentwicklung von Normen und Standards und der Bewertung Benannter Stellen beteiligt und unterstützt zuständige Behörden in verschiedensten regulatorischen Bereichen. Sie dient der Kommission aber auch als Anlaufstelle, wenn es um Einzelheiten für die Arbeitsweise der Koordinierungsgruppe für Benannte Stellen gemäß Artikel 49 geht.

Der Einfluss der Koordinierungsgruppe auf die Umsetzung der Verordnung sollte also in keinem Fall unterschätzt werden.

Welche Leitfäden kommen aktuell zur Anwendung?

Derzeit gibt es noch einige Leitfäden der MEDDEV und immer mehr Leitfäden der MDCG, die Anwendung finden. Insbesondere neue Themenfelder wie UDI und EUDAMED-Datenbank werden nur von den MDCG-Leitfäden adressiert.

Im letzten Jahr hat die MDCG viele neue Leitfäden veröffentlicht, sodass die MEDDEV-Leitfäden in den meisten Bereichen bereits abgelöst werden konnten.
Im Jahr 2020 kamen ganz 28 neue Leitfäden hinzu …
Besonders viel getan hat sich in den Bereichen Clinical Investigation and Evaluation, Notified Bodies und Commission Guidance documents.
Im Einzelnen sind 2020 hinzugekommen:

Clinical Investigation and Evaluation:

In der MDR sind Umfang und Gewichtung der klinischen Bewertung im Vergleich zur MDD deutlich erweitert. Gab es 2019 erst einen einzigen Leitfaden zu klinischer Bewertung und Prüfung, werden die MEDDEV-Dokumente an dieser Stelle nun mehr und mehr ersetzt oder ergänzt. 2020 wurden sieben weitere Dokumente veröffentlicht, um Herstellern eine Hilfe an die Hand zu geben.

  • MDCG 2020-5  Guidance on clinical evaluation – Equivalence

  • MDCG 2020-6  Guidance on sufficient clinical evidence for legacy devices

  • MDCG 2020-7  Guidance on PMCF plan template

  • MDCG 2020-8 Guidance on PMCF evaluation report template

  • MDCG 2019-9 Summary of safety and clinical performance

  • MDCG 2020-10/1 Appendix: Clinical investigation summary safety report form

  • MDCG 2020-10/2 Guidance on safety reporting in clinical investigations

  • MDCG 2020-13 Clinical evaluation assessment report template

Einen ersten Blick auf die ersten zwei Guidances haben wir bereits in zwei separaten Blogartikeln geworfen, in denen detailliert auf die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen eingegangen wird:

MDCG 2020-6 „Clinical evidence needed for medical devices previously CE marked under Directives 93/42/EEC or 90/385/EEC“ zeigt Handlungsempfehlungen auf, die es erleichtern sollen, klinische Daten zum Nachweis der Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR zu identifizieren, die im Rahmen der technischen Dokumentation für bereits am Markt befindliche Medizinprodukte benötigt werden. Der Artikel Daten etablierter Medical Devices im weiteren Einsatz  betrachtet diesen Leitfaden in der Tiefe.

MDCG 2020-5 „Clinical Evaluation – Equivalence: A guide for manufacturers and notified bodies“ gibt Hilfestellung bei der Äquivalenzbetrachtung von Medizinprodukten. Das Dokument widmet sich den Unterschieden zwischen MDR und MEDDEV 2.7/1 Rev.4, welche sich vor allem in den Bewertungskriterien für Äquivalenz bei technischen, biologischen und klinischen Charakteristika zeigt. Auch dieser Leitfaden wurde von unseren Experten im Artikel
Hilfestellung bei der Äquivalenzbetrachtung von Medizinprodukten im Detail betrachtet.

Notified Bodies

Bereits 2019 waren viele Dokumente der Unterkategorie Notified Bodies veröffentlich worden. 2020 wurden diese noch um sechs weitere Leitfäden ergänzt, die sich u. a. mit MDSAP Audit Reports (MDCG 2020-14) und Ausnahmeregelungen in Bezug auf Audits Benannter Stellen während der COVID-19-(MDCG 2020-4)-Pandemie beschäftigen. Alle neuen Leitfäden im Überblick:

  • MDCG 2020-3

    Guidance on significant changes regarding the transitional provision under Article 120 of the MDR with regard to devices covered by certificates according to MDD or AIMDD

  • MDCG 2020-4

    Guidance on temporary extraordinary measures related to medical device notified body audits during COVID-19 quarantine orders and travel restrictions

  • MDCG 2020-11

    Guidance on the renewal of designation and monitoring of notified bodies under Directives 90/385/EEC and 93/42/EEC to be performed in accordance with Commission Implementing Regulation (EU) 2020/666 amending Commission Implementing Regulation (EU) 920/2013

  • MDCG 2020-12

    Guidance on transitional provisions for consultations of authorities on devices incorporating a substance which may be considered a medicinal product and which has action ancillary to that of the device, as well as on devices manufactured using TSE susceptible animal tissues

  • MDCG 2020-14

    Guidance for notified bodies on the use of MDSAP audit reports in the context of surveillance audits carried out under the Medical Devices Regulation (MDR)/In Vitro Diagnostic medical devices Regulation (IVDR)

  • MDCG 2020-17

Questions and Answers related to MDCG 2020-4:
“Guidance on temporary extraordinary measures related to medical device notified body audits during COVID-19 quarantine orders and travel restrictions”

New Technologies

Im Bereich der New Technologies wurde der steigenden Bedeutung von Software Rechnung getragen, sodass im vorletzten Jahr die beiden Guidelines

  • MDCG 2019-16 rev.1 –

    Guidance on cybersecurity for medical devices und

  • MDCG 2019-11 –

    Qualification and classification of software – Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746

veröffentlicht wurden. 2020 folgte ein Leitfaden zur klinischen Bewertung von Medizinprodukte-Software:

  • MDCG 2020-1

    Guidance on clinical evaluation (MDR)/Performance evaluation (IVDR) of medical device software

UDI

Auch beim Thema UDI gibt es Neuigkeiten. Veröffentlicht wurden aktualisierte allgemeine Leitfäden zum UDI für Systeme und Behandlungseinheiten (MDCG 2018-1 v3) sowie zu UDI-DI und darauf bezogene Änderungen (MDCG 2018-3 Rev1). Außerdem kam am Ende des Jahres noch eine spezifische Guidance für Sehhilfen heraus:

EUDAMED

Am 01.12.2020 ging mit dem Actor Registration Module das erste Modul der EUDAMED-Datenbank online. Vor der Freischaltung des Actor-Registration-Moduls wurde ein Positionspapier der MDCG zur Benutzung dieses Datenbankmoduls und der damit generierten Single Registration Number (SRN) zur Verfügung gestellt, um sich mit dem Modul vertraut zu machen:

  • MDCG 2020-15

    MDCG Position Paper on the use of the EUDAMED actor registration module and of the Single Registration Number (SRN) in the Member States

EMDN (European Medical Device Nomenclature)

Mit der European Medical Device Nomenclature (EMDN) wird eine Europäische Nomenklatur eingeführt, die von Herstellern bei der Registrierung ihrer Medizinprodukte in der EUDAMED zu verwenden ist. Als Grundlage für die Struktur der EMDN dient die italienische Nomenklatur „Classificazione Nazionale Dispositivi medici“ (CND). Details zu den Prinzipien und zum Hintergrund von CND und EMDN finden sich hier:

Commission guidance Documents

Ein zentrales und alles bestimmendes Thema des Jahres 2020 war die COVID-19-Pandemie, die auch die Medizinprodukteindustrie wesentlich beeinflusste. Im Licht dieser aktuellen Situation sind im Laufe des Jahres eine Reihe nützlicher Guidances von der Kommission erschienen, die sich mit den im COVID-19-Kontext besonders stark nachgefragten Bereichen medizinische Gesichtsmasken, Persönliche Schutzausrüstung (PSA), In-vitro-diagnostische Medizinprodukte (IVDR) und 3-D-Druck befassten:

Gemäß einer Übersichtsliste der MDCG (Stand: Dezember 2020) sind für das neue Jahr eine Reihe weiterer Veröffentlichungen geplant, vor allem im Bereich der Market Surveillance, zum Thema Standardisierung im Bereich Medizinprodukte und zu Notified Bodies – manche davon waren ursprünglich noch für 2020 geplant. Es lohnt sich also, Augen und Ohren offen zu halten, was die neuen Leitfäden und die Ablösung der MEDDEV-Dokumente betrifft.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Informationdienen.