Sonderanfertigungen waren bereits in der MDD definiert. Mit Einführung der MDR hat sich an dieser Definition nichts Grundlegendes geändert, allerdings hat die MDR die Anforderungen an das Inverkehrbringen von Sonderanfertigungen spürbar erhöht. Die größten Punkte dabei sind die strengeren Anforderungen an die Dokumentation, die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (PMS) sowie die Pflicht, ein Qualitätsmanagementsystem implementiert zu haben.

Sonderanfertigungen sind für spezielle Fälle gedacht, in denen handelsübliche Produkte oder alternative Therapien nicht ausreichen, um die Bedürfnisse und Anforderungen bestimmter Personen erfüllen zu können. Um genau verstehen zu können, welche regulatorischen Auswirkungen auf Sonderanfertigungen zutreffen, ist ein Blick auf die in der MDR zur Verfügung gestellte Definition hilfreich. Laut MDR Artikel 2, 42 wird mit einer Sonderanfertigung ein Produkt bezeichnet, „das speziell gemäß einer schriftlichen Verordnung einer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Ausstellung von Verordnungen berechtigten Person angefertigt wird, die eigenverantwortlich die genaue Auslegung und die Merkmale des Produkts festlegt, das nur für einen einzigen Patienten bestimmt ist, um ausschließlich dessen individuellen Zustand und dessen individuellen Bedürfnissen zu entsprechen.“

Somit zeichnen sich Sonderanfertigungen durch ihre spezifischen Design-Charakteristika aus, welche von qualifiziertem Personal in der Regel auf dem Verordnungsrezept dargelegt werden. Dadurch wird auch sichergestellt, dass dieses Produkt in der Tat nur für einen einzigen Patienten bestimmt ist, gleichzeitig auch einen starken individuellen Nutzen für diesen hat. Damit tragen die Ärzte oder andere qualifizierte Personen, die ein Rezept ausstellen dürfen, die Verantwortung für die Sonderanfertigung und deren Anwendung.

Trotz ihrer Exklusivität (Sonderanfertigungen werden nicht in Serie produziert), unterliegen die Sonderanfertigungen gewissen regulatorischen Anforderungen, wie den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen und werden auf diese Art und Weise reguliert, damit Sicherheit und Wirksamkeit des Medizinprodukts gewährleistet werden.

Sonderanfertigungen vs. Anpassungen

Im Gegensatz zu den Sonderanfertigungen stehen sogenannte Anpassungen. Dies sind serienmäßig hergestellte Produkte, welche angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen eines berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, und Produkte, die gemäß den schriftlichen Verordnungen einer dazu berechtigten Person serienmäßig in industriellen Verfahren hergestellt werden. Die Anpassungen unterscheiden sich weiter in „auf den Patienten angepasste Medizinprodukte“ und „anpassbare Medizinprodukte“ und zählen nicht zu den Sonderanfertigungen. Dies ist in Artikel 2, Abschnitt 3 der MDR niedergeschrieben.

Oftmals herrscht Unklarheit in der Unterscheidung von Sonderanfertigungen und Anpassungen. Ein auf den Patienten angepasstes Medizinprodukt zeichnet sich dadurch aus, dass es innerhalb eines bestimmten Designrahmens mit Hilfe von passenden Techniken auf der Grundlage anatomischer Merkmale des Patienten, genau auf dessen gesamte Anatomie angepasst werden kann. Es ist von einem Hersteller entwickelt und wird in Batches

Im Gegensatz zu den Sonderanfertigungen stehen sogenannte Anpassungen. Dies sind serienmäßig hergestellte Produkte, welche angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen eines berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, und Produkte, die gemäß den schriftlichen Verordnungen einer dazu berechtigten Person serienmäßig in industriellen Verfahren hergestellt werden. Die Anpassungen unterscheiden sich weiter in „auf den Patienten angepasste Medizinprodukte“ und „anpassbare Medizinprodukte“ und zählen nicht zu den Sonderanfertigungen. Dies ist in Artikel 2, Abschnitt 3 der MDR niedergeschrieben. 

Oftmals herrscht Unklarheit in der Unterscheidung von Sonderanfertigungen und Anpassungen. Ein auf den Patienten angepasstes Medizinprodukt zeichnet sich dadurch aus, dass es innerhalb eines bestimmten Designrahmens mit Hilfe von passenden Techniken auf der Grundlage anatomischer Merkmale des Patienten, genau auf dessen gesamte Anatomie angepasst werden kann. Es ist von einem Hersteller entwickelt und wird in Batches produziert. Nur unter gewissen Umständen wird ein Arzt oder eine andere qualifizierte Person zu Rate gezogen. Hierzu zählen beispielsweise Produkte, wie 3D-gedruckte Unterkieferimplantate, Kontaktlinsen nach Auftrag oder 3D-gedruckte Platten zum Fixieren von gebrochenen Knochen.

Anpassbare Medizinprodukte werden in Massen hergestellt und kurz vor der Anwendung gemäß validierten Anweisungen des Herstellers angepasst. Dies ist notwendig, um bei der Verwendung den spezifischen anatomisch-physiologischen Merkmalen des Patienten gerecht zu werden. Zu dieser Produktgruppe zählen an den Patienten angepasste Rollstühle, Hörgeräte oder Zahnspangen.

Eine noch speziellere Gruppe innerhalb der Sonderanfertigung gibt es mit den implantierbaren Sonderanfertigungen. Diese unterliegen auf den ersten Blick den gleichen regulatorischen Anforderungen wie Sonderanfertigungen an sich und werden in der MDR auch gleich definiert. Bei implantierbaren Sonderanfertigungen ist weiterhin jedoch wichtig, dass die verwendeten Materialien biokompatibel und für den Langzeitgebrauch im menschlichen Körper akzeptabel sind. Bei der Auswahl der Materialien müssen die Anforderungen an die Biokompatibilität von Medizinprodukten beachtet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist hierbei auch die chirurgische Implantation und Nachsorge, damit im Allgemeinen Komplikationen vermieden werden und eine erfolgreiche Integration des Medizinproduktes gewährleistet werden kann.

Regulatory Pathway: Was die MDR verlangt

Für das korrekte Inverkehrbringen von Sonderanfertigungen ist das Befolgen von Anhang XIII der MDR ausschlaggebend. Darin wird genau geregelt, welche Informationen bereitgestellt werden müssen, wie das Herstellungsverfahren gelenkt wird und welche der Produktion nachgelagerten Prozesse relevant sind.

Besonders wichtig ist dabei die Erklärung, welche jeder Sonderanfertigung beiliegen und folgende Informationen enthalten muss:

  • Name und Anschrift des Herstellers und aller Produktionsstätten
  • Falls zutreffend: Name und Anschrift des Bevollmächtigten
  • Notwendige Daten zur Identifizierung des Produkts
  • Erklärung, dass das Produkt ausschließlich für einen bestimmten Patienten vorgesehen ist (dieser muss eindeutig identifiziert werden können -> Name, Akronym, Code)
  • Name der Person, die das Produkt verordnet hat
  • Spezifische Merkmale des Produkts
  • Erklärung, dass das Produkt den GSLA entspricht

Diese Erklärung kann in etwa mit einer Konformitätserklärung gleichgestellt werden, denn sie versichert insgesamt, dass die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auch bei der Sonderanfertigung eingehalten worden sind.

Darüber hinaus gestalten sich die weiteren regulatorischen Anforderungen aus Anhang XIII im Allgemeinen etwas schwächer als bei Medizinprodukten, welche in Serie produziert werden und nicht als Sonderanfertigung gelten. So muss der Hersteller zwar die gesamte Technische Dokumentation erstellen und aktualisieren, diese muss jedoch lediglich auf Anfrage den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden.

Eine große Erleichterung stellt die Befreiung von der UDI-Pflicht dar. In diesem Zusammenhang wird oft auch genannt, dass kein CE-Zeichen angebracht werden muss, da keine klassische EU-Konformitätserklärung ausgestellt wird. Die Hersteller führen lediglich das vereinfachte Verfahren zur Konformitätsbewertung gemäß Anhang XIII durch und stellen vor dem Inverkehrbringen der Produkte die Erklärung gemäß Abschnitt 1 des genannten Anhangs aus, mit den oben bereits dargelegten Informationen. Diese Erklärung muss auch dem Patienten zur Verfügung gestellt werden, welcher entweder durch seinen Namen, ein Akronym oder einen numerischen Code eindeutig identifizierbar ist. So ist beim Labelling und der allgemeinen Kennzeichnung auch sehr wichtig, dass das Produkt die Aufschrift „Sonderanfertigung“ trägt.

Allerdings sind Hersteller von implantierbaren Sonderanfertigungen der Klasse III dazu angehalten dem Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Anhang IX Kapitel I zu folgen oder alternativ eine Konformitätsbewertung gemäß Anhang XI Teil A durchzuführen.

Wo an der einen Stelle Erleichterungen gegeben werden, bleiben die Regelungen an anderer Stelle streng. So brauchen Hersteller von Sonderanfertigungen ebenfalls eine PRRC (Person Responsible for Regulatory Compliance) nach Artikel 15. Allerdings gibt es hier ein paar Einschränkungen in der Ausprägung der Tätigkeit und der

Anforderungen an die Qualifikationen dieser Person. So können Hersteller, unbeschadet nationaler Rechtsvorschriften über berufliche Qualifikationen, das in Unterabsatz 1 geforderte Fachwissen durch zwei Jahre Berufserfahrung in dem entsprechenden Fabrikationsbereich nachweisen. Die PRRC muss in dem Fall auch nicht in der EUDAMED registriert werden.

Beim Aspekt Post-Market Surveillance muss ein Bericht für Klasse I Produkte und ein Periodic Safety Update Report (PSUR) für alle weiteren Klassen gemäß den Vorgaben der MDR erstellt werden. Diese Berichte sind auch Teil der allgemeinen Dokumentation zu der Sonderanfertigung. Allerdings muss der PSUR bei Klasse III Produkten nicht bei der Benannten Stelle eingereicht werden. Ein Kurzbericht über die Sicherheit und klinische Leistung (Summary of Safety and Clinical Performance, SSCP) muss nicht angefertigt werden.

Daneben wird der PMS-Prozess ohne weitere Einschränkungen ausgeführt, wie es in der MDR dargestellt ist. Dies gilt ebenso für das PMCF, das Risikomanagement und die klinische Bewertung, welche in der Regel ein Teil des QM-Systems sind und somit auch bei Sonderanfertigungen gefordert sind.

Pflichten als Hersteller

Die Herstellung von Sonderanfertigungen muss im Rahmen eines etablierten Qualitätsmanagementsystems erfolgen. Dabei müssen die Hersteller den Vorgaben für QM-Systeme in Artikel 10(9) der MDR gerecht werden. In diesem Zusammenhang muss gewährleistet werden, dass im Herstellungsverfahren die Übereinstimmung der hergestellten Sonderanfertigung mit der Dokumentation dieser sichergestellt wird. Damit wird auch das Monitoring im gesamten Herstellungsprozess garantiert.

Die Dokumentation muss neben der Nennung der Herstellungsstätte auch Angaben enthalten, welche die Auslegung, Herstellung und vorgesehene Leistung des Produkts bezeichnen, sodass beurteilt werden kann, ob die Sonderanfertigung den Anforderungen der MDR entspricht. Darüber hinaus müssen auch die Anforderungen der jeweiligen Länder beachtet werden, in welchen die Sonderanfertigungen in Verkehr gebracht werden. Die Dokumentation beinhaltet auch die schriftliche Bescheinigung der zur Ausstellung befugten Person, wobei auch alle für die Sonderanfertigung notwendigen Schablonen, Modelle oder Abdrücke für die Auslegung und die Merkmale des Produktes enthalten sind. Dies ist vor allem wichtig, um vorzuweisen, dass die Sonderanfertigung dem individuellen Zustand oder den individuellen Bedürfnissen der namentlich genannten Person entsprechend hergestellt wird. Damit wird eine zusätzliche Dokumentationspflicht speziell für Sonderanfertigungen erfüllt und diese Aufwände sollen besonders zur Transparenz und Rückverfolgbarkeit des Produktes beitragen.

Für implantierbare Sonderanfertigungen müssen alle Dokumente mindestens 15 Jahre oder über den Zeitraum des angesetzten Produktlebenszyklus aufbewahrt werden. Für alle weiteren Sonderanfertigungen müssen Dokumente mindestens 5 Jahre aufbewahrt werden oder über den angedachten Produktlebenszyklus, je nachdem welcher Zeitraum länger ist.

Beispiele für Sonderanfertigungen

Am stärksten von den geänderten Anforderungen der MDR an Sonderanfertigungen dürften Hersteller sein, die als Zahntechniker, Orthopäden oder Optiker tätig sind, betroffen sein. Da die Unterscheidung zwischen Anpassung und Sonderanfertigung letzten Endes immer sehr schmal bleibt, nennen wir, nach  Darstellung aller Anforderungen an Sonderanfertigungen zur Abgrenzung zu anderen Medizinprodukten, folgende konkrete Beispiele:

  • Handprothesen, die dazu bestimmt sind, ein verlorenes Körperteil und/oder eine verlorene Funktion eines Körperteils zu ersetzen und die nach einer schriftlichen Verordnung hergestellt werden. Dabei muss der Arzt patientenspezifische Merkmale zur Verfügung stellen, welche bei der Konstruktion und späteren Herstellung beachtet werden müssen.
  • Zahnkronen, die nach schriftlicher Verordnung eines Zahnarztes hergestellt werden und spezifische Konstruktionsmerkmale für den individuellen Zustand des Patienten umsetzen.
  • Orthesen, die nach schriftlicher Verordnung unter Angabe und Beachtung von spezifischen Merkmalen hergestellt wird, um einem Patienten mit einer neuromuskulären oder muskuloskelettalen Beeinträchtigung der unteren Extremitäten Abhilfe zu schaffen. Hierzu zählen Knie-Knöchel-Fuß-Orthesen.

Darüber hinaus können auch Gesundheitseinrichtungen mit angegliederter Werkstatt unter die Regelungen zu Sonderanfertigungen fallen. Hierzu gibt die MDR in Artikel 5(5) einige Vorgaben. Dabei muss jedoch genau unterschieden werden, ob es sich um eine Sonderanfertigung oder doch eine Anpassung handelt. In jedem Fall müssen auch hier die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachweislich erfüllt und eine öffentlich zugängliche Erklärung muss für das jeweilige Produkt erstellt werden. 

Weiterer Input für Sonderanfertiger

Sonderanfertigungen, maßgeschneidert auf die individuellen Bedürfnisse und Merkmale einzelner Patienten, stellen einen bedeutenden Fortschritt in der Medizintechnik dar. Neben dem reinen Gesetzestext der MDR gibt es auch weitere Leitlinien vom IMDRF und der MDCG, um die Entwicklung und Regulierung der Sonderanfertigungen zu unterstützen.

Das Guidance-Dokument der IMDRF „Personalized Medical Devices – Production Verification and Validation”, welches im April 2023 veröffentlicht wurde, geht als technische Leitlinie zum einen genauer auf die Aspekte der Verifikation und Validierung von patientenangepassten medizinischen Produkten ein und zum anderen auf technische Überlegungen eines Produktionssystems für Medizinprodukte (medical device production system, MDPS). Hierbei ist es ein wichtiger Schritt, dass einheitliche und harmonisierte Anforderungen an Sonderanfertigungen verabschiedet wurden und so Vorteile für Hersteller, Anwender, Patienten und Regulierungsbehörden geboten werden können.

Darüber hinaus, ist auch das MDCG Guidance Dokument 2021-3 sehr nützlich. Es ist im Frage-und-Antwort-Format gestaltet und richtet seinen Blick auf Sonderanfertigungen, Betrachtungen zu anpassbaren Medizinprodukten und Patientenangepassten Produkten. Es hält sich dabei an Vorgaben und die Terminologie der MDR und des IMDRF-Dokuments und adressiert die relevantesten Fragen zum Thema der Sonderanfertigungen. Als Hersteller von Sonderanfertigungen lohnt es sich somit einen Blick in diesen Leitfaden zu werfen!

Bleiben am Ende dennoch offene Fragen für Ihren Fall übrig, unterstützen wir Sie bei der Implementierung effektiver Prozesse für das Herstellen von Sonderanfertigungen, führen GAP-Analysen durch und beraten Sie bei der initialen Implementierung neuer Prozesse.

Unser Ansatz ist umfassend und beachtet alle relevanten Faktoren. Durch eine enge Zusammenarbeit verfolgen wir gemeinsam das Ziel einer nachhaltigen und langfristigen Lösung für die problemlose Produktion Ihrer Sonderanfertigung und der Bereitstellung an den Patienten.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.