Im März dieses Jahres hatten wir bereits vom „standardisation request“ der Europäischen Kommission berichtet, das erste Schlüsse auf die vermutlich bald unter der MDR harmonisierten Normen zulässt. Im Juli ging es nun tatsächlich los.

Aktueller Stand zur Harmonisierung in Europa

Am 16. Juli wurde ein erster Durchführungsbeschluss über die harmonisierten Normen zur MDR veröffentlicht:

Doch welche Normen genau wurden nun für die erste Harmonisierung ausgewählt?

  • EN ISO 10993-23:2021

Biologische Beurteilung von Medizinprodukten — Teil 23: Prüfungen auf Irritation (ISO 10993-23:2021)

  • EN ISO 11135:2014

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Ethylenoxid — Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte (ISO 11135:2014)

& EN ISO 11135:2014/ A1:2019

  • & EN ISO 11137-1:2015

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Strahlen — Teil 1: Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte (ISO 11137-1:2006, einschließlich Amd 1:2013)

& EN ISO 11137-1:2015/A2:2019

  • EN ISO 11737-2:2020

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Mikrobiologische Verfahren — Teil 2: Prüfungen der Sterilität bei der Definition, Validierung und Aufrechterhaltung eines Sterilisationsverfahrens (ISO 11737-2:2019)

  • EN ISO 25424:2019

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd — Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsverfahren für Medizinprodukte (ISO 25424:2018)

Das Hauptaugenmerk wurde auf Sterilisationsprozesse gelegt.

Sehr löblich ist, dass auch die biologische Bewertung im ersten Schwung dabei ist, allerdings war nicht wie zu erwarten die Hauptnorm, die EN ISO 10993-1, sondern der Neuankömmling in der Normenreihe, die EN ISO 10993-23 „Tests for irritation“, dabei. Die Norm ist also ohne ihren Anwendungsrahmen harmonisiert worden. Zusätzlich ist hier auch noch der Veröffentlichungsstatus interessant: Die ISO-Version ist bereits veröffentlicht, ebenso die BS-EN-ISO-Version; die DIN-EN-ISO-Version hinkt noch hinterher, ist jedoch inzwischen als Vorabversion 2021-10 verfügbar (Stand: 20.09.2021).

Und Achtung, hinter der DIN EN ISO 11137:2020 verbirgt sich bereits die ISO 11137-1:2006, einschließlich Amd. 1:2013 + Amd. 2:2018 und die deutsche Fassung der EN ISO 11137-1:2015 + A2:2019 .

Auch zur IVDR wurde am 19. Juli der erste Schwung an Harmonisierungen veröffentlicht:

Hier zeigen sich ebenfalls besondere Normen zum Thema Sterilisation

  • EN ISO 11135:2014

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Ethylenoxid — Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte (ISO 11135:2014)

& EN ISO 11135:2014/A1:2019

  • EN ISO 11137-1:2015

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Strahlen — Teil 1: Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte (ISO 11137-1:2006, einschließlich Amd. 1:2013)

& EN ISO 11137-1:2015/A2:2019

  • EN ISO 11737-2:2020

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Mikrobiologische Verfahren — Teil 2: Prüfungen der Sterilität bei der Definition, Validierung und Aufrechterhaltung eines Sterilisationsverfahrens (ISO 11737-2:2019)

  • EN ISO 25424:2019

Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge — Niedertemperatur-Dampf-Formaldehyd — Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Routineüberwachung von Sterilisationsverfahren für Medizinprodukte (ISO 25424:2018)

Ganz allgemein lässt sich sowohl für die unter der MDR als auch die unter der IVDR harmonisierten Normen festhalten, dass selbst im Bereich der ausgewählten Normen noch dazugehörige Teilbereiche gehören, wie z. B. die EN-ISO-10993-Familie oder die Bewertung der Vorverkeimung vor Sterilisation.

Anwendung im Rahmen der MDR

Wie bereits bekannt – Normen sind keine Gesetze, also gibt es keine Verpflichtung, diese anzuwenden. Aber der Weg, eigene Methoden zu entwickeln, zu validieren und mit dem Stand der Technik (also den bekannten und harmonisierten Normen) abzugleichen, ist hart und steinig. Daher ist die Harmonisierung sehr wünschenswert, damit die Hersteller sich einen Teil der in der MDR geforderten Argumentationslinie für die Anwendung von Normen sparen können, wenn es um die Frage nach dem Stand der Technik geht.

Wie die Abwägung zwischen harmonisiertem Ausgabestand, dem neuesten Stand der Technik, aber auch dem etablierten Stand der Technik von Normen durchgeführt werden kann, hat auch die MDCG beschäftigt. Daher hat sie bereits im April 2021 ein entsprechendes Guidance-Dokument veröffentlicht:

Dieses Dokument gibt einem zwar auch keine einfachen Antworten auf die Frage „Was gilt denn nun? Was muss ich denn anwenden?“, leitet einen jedoch im Rahmen der Gedankenwelt des New Approach durch die Entscheidungsfindung als für das Produkt verantwortlicher Hersteller. Denn diese liegt an sich beim Hersteller und seiner Argumentationslinie. Im Übrigen: Auch die bisherigen Richtlinien in Europa funktionierten nach dem Prinzip des New Approach.

Die eine Normungsausnahme – Kennzeichnungssymbole

Innerhalb der MDR und der IVDR gibt es eine einzige Ausnahme im Bereich der Harmonisierung von Normen:

Gegebenenfalls verwendete Symbole oder Identifizierungsfarben entsprechen den harmonisierten Normen oder Spezifikationen. Gibt es keine derartigen harmonisierten Normen oder Spezifikationen für den betreffenden Bereich, so werden die Symbole und Identifizierungsfarben in der beigegebenen Produktdokumentation erläutert.

Es ist zu hoffen, dass die Norm zur Verwendung von Kennzeichnungssymbolen, die in dem Gesetzestext erwähnt werden (MDR, Anhang I, 23.1 h; IVDR, Anhang I, 20.1 h), im nächsten Harmonisierungswurf dabei sind und es nicht wie seinerzeit schon einmal ein langes Ringen um die Harmonisierung der Norm(en) gibt. Bis dahin muss der Hersteller jedoch tatsächlich die Anwendung der in der Norm beschriebenen Symbole im Sinne des New Approach weiterhin begründen.

An dieser Stelle kann man nur hoffen, dass weitere harmonisierte Normen, MDCG Guidances und gemeinsame Spezifikationen zeitnah erscheinen, um bei allen Beteiligten ein tieferes Verständnis der Produkte und Prozesse gemäß den europäischen Verordnungen aufzubauen. Sehen Sie sich noch nicht ausreichend gewappnet um aus diesem Dickicht herauszukommen? Wir leisten Ihnen gerne Hilfestellung.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.