Viren, Bakterien, Sporen – Unsere Welt ist im großen und kleinen besiedelt. Nicht immer ist dies für die Menschen zuträglich, insbesondere, wenn sie sich in einem Krankheitszustand befinden. Daher ist es für die Anwendung von Medizinprodukten unerlässlich, dass die Produkte einen gewissen Reinheitsgrad aufweisen. Sind Produkte aber sogar für die sterile Anwendung vorgesehen, so sind die Bewertung und Überwachung der Keim- und Partikelbelastung unerlässlich – besser bekannt als Bioburden und Pyrogenität.

Was ist „Bioburden“? Und wofür ist er relevant?

Unter dem Bioburden, oder zu deutsch, der Keimbelastung versteht man alle lebensfähigen Mikroorganismen auf einer bestimmten Oberfläche oder Volumeneinheit in der Luft. Die Zusammensetzung dieser Keime kann von verschiedensten Bakterien über Viren bis hin zu Pilzen reichen. Ausschlaggebend ist, dass diese Mikroorganismen lebensfähig sind, somit fallen auch Überdauerungszustände wie verkapselte Bakterien oder Pilzsporen darunter.

Diese Mikroorganismen können sichtbar gemacht werden, indem sie auf ein Nährmedium übertragen werden und unter entsprechenden Umgebungsbedingungen zu Wachstum angeregt werden. Jede einzelne vorhandene Zelle nimmt dann den Stoffwechsel auf und beginnt zu wachsen und sich zu teilen. Auf dem Nährmedium entstehen dann typische Muster von Kolonien der jeweiligen Art. Die Anzahl der vorhandenen Kolonien ergibt die Menge der zuvor vorhandenen Keime – dementsprechend wird der Bioburden in KBE angegeben – Kolonie Bildende Einheit – je Einheit. Diese „Einheit“ ist in der Regel bezogen auf ein Produkt, oder bei flächigen textilen Geweben je m². Es kann sich aber auch um KBE je m³ Luft im Fertigungsbereich handeln.

Keime sind überall – auch auf Medizinprodukten. Dort können sie im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben. weswegen es für viele Produkte erforderlich ist, die vorhandenen Keime so weit wie möglich zu reduzieren oder zu inaktivieren. Dabei haben sich drei grundsätzliche Pfade etabliert, den Keimen zu Leibe zu rücken:

  • Reinigung –mechanische / chemische Entfernung von Rückständen und Partikeln aus der Fertigung, aber auch einer möglicherweise vorangegangenen Anwendung des Medizinproduktes, inklusive der Entfernung von Keimen
  • Desinfektion – Reduktion, Inaktivierung oder Abtötung pathogener Mikroorganismen auf einem Objekt oder einer Oberfläche, um Infektionen zu verhindern
  • Sterilisation – Abtötung oder irreversible Inaktivierung von Mikroorganismen und Sporen auf Materialien und Gegenständen und somit von vermehrungsfähigen Keimen zu befreien

Wichtig ist zu verstehen, dass es sich wohl bei der Desinfektion als auch der Sterilisation um eine Wahrscheinlichkeitsannahme handelt. Der Begriff „steril“ ist definiert als die Abwesenheit von mindestens 10-6 Keimen.

Je nach Einsatzumgebung und Zweckbestimmung des betreffenden Medizinproduktes ist zu bewerten, wie kritisch der vorhandene Bioburden ist und welche Maßnahmen daher ergriffen werden müssen, um diesen zu senken und zu kontrollieren.

Bei sterilen Produkten, die entweder einmalig verwendet werden oder die vor jeder Anwendung neu aufbereitet werden, ist die Notwendigkeit am augenscheinlichsten. Aber auch unsterile Produkte sollten ein gewisses Maß an Sauberkeit aufweisen, um den allgemeinen Hygieneansprüchen gerecht zu werden. Bei wiederverwendbaren unsterilen Produkten, wie zum Beispiel einem Toilettenstuhl im Krankenhaus muss besonderer Wert darauf gelegt werden, das Produkt so zu gestalten, dass eine Reinigung und Desinfektion von Oberflächen effektiv durchgeführt werden kann.

Welche regulatorischen und normativen Anforderungen gibt es?

Grundsätzlich kommt die Anforderung, die Keimbelastung zu kontrollieren und zu minimieren aus der MDR – als grundlegende Anforderung, die zunächst für jedes Produkt als anwendbar in Betracht zu ziehen ist. Die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen Punkt 11 bildet den allgemeinen Rahmen für „Infektion und mikrobielle Kontamination“.

  • Die Produkte und ihr Herstellungsverfahren werden so ausgelegt, dass das Infektionsrisiko für Patienten, Anwender und gegebenenfalls Dritte ausgeschlossen oder so gering wie möglich gehalten wird. […]
  • Die Produkte werden erforderlichenfalls so ausgelegt, dass ihre Reinigung, Desinfektion und/oder wiederholte Sterilisation leicht möglich ist. […]
  • Verpackungssysteme für nicht sterile Produkte sind so beschaffen, dass die Unversehrtheit und Reinheit des Produkts erhalten bleibt und, falls das Produkt vor Anwendung sterilisiert werden soll, das Risiko einer mikrobiellen Kontamination so gering wie möglich gehalten wird; […]

Hier wird auch deutlich, dass das Wissen und die Kontrolle der Keimbelastung sowohl für unsterile als auch sterile Produkte notwendig ist und dass die Verpackung auf geeignete Weise ausgelegt und hergestellt werden muss (=> Verweismöglichkeit auf Sterilverpackung).

Ebenso explizit mit eigenem Unterkapitel wird die Herstellung unter angemessenen und kontrollierten Bedingungen gefordert, beide Punkte finden sich in den speziellen Anforderungen der ISO 13485 wieder (KAP 6.4.2 bzw. 7.5.5 und 7.5.6).

Aufgegriffen wird die GSPR 11 in entsprechenden (harmonisierten) Normen – diese sind für die Validierung der Sterilisation eine Reihe verschiedener Normen, je nach Sterilisationsart

gelten:

  • EN ISO 17665 „Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Feuchte Hitze – Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte“
  • ISO 11135 „Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Ethylenoxid – Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte“
  • ISO 11137-1 „Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Strahlen – Teil 1: Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte“

In allen Normen zur Validierung von Sterilisationsprozessen wird im jeweiligen Kapitel 7 zur Produktdefinition die Festlegung und Aufrechterhaltung eines Systems zur Kontrolle der mikrobiellen Qualität des Produkte gefordert. Etabliert hat sich hier die Ermittlung und Festlegung von Warn- und Aktionswerten für die Keimbelastung, inkl. festgelegter Maßnahmenempfehlungen bei Überschreitung der Werte.

Für die Durchführung der Validierung ist die Anwendung weiterer untergeordneter Normen notwendig, die z.B. Anforderungen an die Anlagen zur Sterilisation oder zu den zu verwendenden Bioindikatoren usw. festlegen. Eine Norm ist hier in Bezug auf die Keimbelastung herauszugreifen, das ist die „ISO 11737-1 Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Mikrobiologische Verfahren -Teil 1: Bestimmung der Population von Mikroorganismen auf Produkten“. Denn alle Sterilisationsverfahren zielen darauf ab, den Zustand „steril“ nachzuweisen und beschäftigen sich mit der Inaktivierung der vorhandenen Keime und dies gelingt umso erfolgreicher umso niedriger die Keimbelastung – also der Bioburden – vor der Sterilisation ist.

Einflussfaktoren auf einen niedrigen oder hohen Bioburden: Wie kann der Bioburden im Blick behalten werden?

Um die Keime auf den Produkten im Zaum zu halten, ist es gut, zu wissen, aus welchen Quellen die Keime kommen und aus welchen Gründen die Bioburden-Werte schwanken können. Die Mikroben sind so klein, dass man sie nicht sieht, daher muss man sich in der Theorie vor Augen führen, wo die Keime vorkommen: nämlich zunächst überall: auf und in Lebewesen, also auch auf allen Mitarbeitern in der Produktion, auf theoretisch allen Oberflächen und in der Luft, insbesondere auch auf der Partikelfracht, die die Luft enthält. Die Populationen sind überall dort besonders hoch, wo die Bedingungen für das Keimwachstum besonders gut sind: dort wo organisches Material als Nahrungsgrundlage vorhanden ist und Wärme und Feuchtigkeit ausreichend geboten sind.

Die erste und wichtigste Maßnahme, um die Keimbelastung in einem definierten Bereich zu halten, ist das entsprechende Design des Produktionsbereiches. Ohne kontrollierte Bedingungen, lässt sich der Bioburden nicht überwachen. Nicht in jedem Fall ist gleich ein Reinraum gem. ISO 14644-1 Klasse 7 oder 8 erforderlich, aber die Mindestanforderung für einen kontrollierten Bereich sind:

  • ein abgeschlossener Bereich mit Überdruckregelung, Klimatisierung und Luftfilter. Das kann auch eine Laminar-Flow-Einheit sein.
  • ein Hygienekonzept für das Personal, das Arbeitskleidung (inkl. Hauben, Bartschutz, speziellen Schuhen etc.), Hygieneregeln wie Händewaschen, Handdesinfektion, Regeln zum Umgang mit Kosmetika, Rauchen, kurze Fingernägel, Vorgehen bei Atemwegserkrankungen etc. umfasst und regelmäßig geschult wird
  • ein Konzept für die Reinigung und Desinfektion der Räume und Oberflächen
  • geeignete bauliche/räumliche Einrichtungen zur Einschleusung von Personal und Material (z.B. verschmutzte Transportverpackungen – und der darauf befindliche Bioburden – sollten nicht in den kontrollierten Bereich eingebracht werden)

Im nächsten Schritt ist es dann notwendig, die entsprechende Spezifikation von entsprechenden Grenzwerten des Bioburdens für die in der Produktion eingesetzten Materialien, Hilfs- und Betriebsstoffe zu definieren (zumindest sollte man diese nicht außer Acht lassen). Auch Arbeitsmittel wie z.B. ein Lineal, das im kontrollierten Fertigungsbereich eingesetzt wird, sollten einer regelmäßigen Reinigung und ggf. Desinfektion unterzogen werden. Zu den Spezifikationen zählen auch geeignete Vorgaben für die Rohmaterialverpackung, um die Ware gut in den kontrollierten Fertigungsbereich einschleusen zu können.

Nicht vergessen: behalten Sie ihre Lieferanten im Blick! Als Hersteller ist es ihre Pflicht die notwendigen Hygienebedingungen für Material oder Produktvorstufen bei ihren Lieferanten zu bewerten, ggf. neu zu definieren und zu kontrollieren.

Die eigentliche Produktion des Medizinproduktes ist ebenfalls sehr wichtig. Sollten hier Arbeitsschritte anfallen, die hohe Kontaminationen mit organischen Rückständen, Partikeln oder Schmierstoffen verursachen, die nichts auf ihrem fertigen Medizinprodukt zu suchen haben, sollten Sie geeignete Reinigungs- und/oder Desinfektionsschritte einführen und validieren.

Maschinelle Produktionsverfahren unter hoher Temperatureinwirkung (z.B. Kunststoff-Spritzguss) führen zu Produkten mit wesentlich geringerer Keimbelastung als manuelle Herstellverfahren (z.B. die manuelle Fertigung von Baumwolltupfern) mit hohem Personaleinsatz. Die Keimbelastung ist niemals konstant, sie ist auch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen, dies kann je nach Ausstattung der Gebäude zu unterschiedlichen Umgebungsbedingungen führen, die sich wiederum auf die Verkeimung in der Produktion auswirken: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Erkältungsbelastung der Mitarbeiter, etc..

Wie kann der Bioburden im Blick behalten werden?

Nachdem untersucht wurde, wo potentielle Kontaminationen des Produktes mit Bioburden ihren Ursprung nehmen können, gilt es sich ein Bild der Wirksamkeit der definierten Verfahren zu machen. Hier ist es unerlässlich, an allen Stellen der Produktionskette regelmäßige Messungen des Bioburdens durchzuführen. Der wichtigste Wert ist selbstverständlich der Bioburden auf dem Produkt, aber dieser wird sicher Schwankungen unterliegen und ohne Messergebnisse der relevanten Einflussgrößen können die Schwankungen nicht beherrscht werden. Weitere sinnvolle Probenahmestellen sind abhängig vom Produkt und den definierten Grenzwerten zu wählen und beginnen bei Türgriffen, über Arbeitsoberflächen und -mitteln bis hin zu Handflächen der Mitarbeiter.

In der EN ISO 11737-1:2018 + A1:2021  wird genau beschrieben, wie die Prüfungen durchzuführen sind, wie der Bioburden bestimmt und charakterisiert werden sollte und wie die Methoden zu validieren sind. Hier findet sich im Kapitel 8.6 die Anforderung Bioburden-Level zu definieren – mit einer Ergänzung im Anhang A, wo explizit die Alarm- und Aktionsbereiche (engl. Warning and action limits) erläutert sind.

Am wichtigsten ist die Kontrolle des Bioburdens , wenn die Sterilisation mittels Strahlung erfolgt, da diese Methode für die Erreichung des SALs sehr direkt mit der tatsächlichen Keimbelastung verbunden ist. In der neuesten Ausgabe der ISO 11137-1 aus dem April 2025 (aktuell noch nicht harmonsiert, aber sicherlich von den Benannten Stellen als State of the art gefordert) wurde die Festlegung von Warn- und Aktionswerten sogar in den normativen Teil aufgenommen, zusammen mit der Anforderung eine Charakterisierung des Bioburdens vorzuhalten. Dafür – so wird es auch im Anhang A erläutert – sollte der Hersteller unbedingt Personal engagieren, das ausreichende Kompetenzen in Mikrobiologie, Sterilisationssicherheit und auch dem statistischen Auswerten von Daten aufweist (die Alarm und Aktionsbereiche werden i.d.R. mittels Standardabweichungen festgestellt). Die Warn- und Aktionswerte sind risikobasiert vom jeweiligen Hersteller zu definieren und sollten nicht leichtfertig und ohne ausreichende Sachkenntnis definiert werden.

Was sind Pyrogene und was haben sie mit dem Bioburden zu tun?

Unter Pyrogenen (von altgriechisch pyr  = das Feuer und gennáein = erzeugen) versteht man in der Medizin Stoffe, die, so sie dem Körper parenteral (also über den Magen-Darm-Trakt) zugeführt werden, in der Lage sind, Fieber zu erzeugen. Bei der Herstellung von Medizinprodukten gibt es zwei Arten von Pyrogenen, die für Hersteller von Bedeutung sein können:

Zum einen können kleinste Partikel des Materials der Medizinprodukte oder andere chemische Substanzen, die aus der Produktion herrühren, die Ursache von Fieberreaktionen sein. Diese Materialbedingte Pyrogenität sollte in der Biologischen Bewertung adressiert werden (vgl. auch ISO 10993-11, Anhang G) und kann nur mittels Kaninchen-Tests (nach Ph. EUR oder USP) nachgewiesen werden. Für die Überwachung in der Produktion bedeutet dies, dass es unbedingt erforderlich ist neben der Belastung durch Mikroorganismen (Bioburden) auch die Anzahl anderer Verunreinigungen und Partikel im Blick zu behalten.

Zum anderen erfolgt eine Reaktion im Körper aufgrund von Endotoxinen, die von gram-negativen Bakterien erzeugt werden. Diese von den Bakterien erzeugten Stoffe, verbleiben auch nach dem Abtöten der Keime in der Sterilisation auf den Produkten. Somit ist es erforderlich, die Pyrogenbelastung, die auf den Produkten vorhanden ist zu kennen, zu kontrollieren, möglichst gering zu halten und außerdem regelmäßig Nachweis zu erzeugen, dass keine unerwünschten Endotoxine zurückbleiben. Dieser Nachweis kann mit dem sogenannten Limulus Amebocyte Lysate LAL-Test erfolgen, der in der Europäischen Pharmacopeia beschrieben ist. Seit 2021 gibt es auch eine internationale Norm – ISO/TR 21582:2021 Pyrogenität – Grundsätze und Verfahren zur Pyrogenitätsprüfung von Medizinprodukten – die jedoch noch keine größere Bekanntheit erlangt hat und bislang weder in der EU harmonisiert ist noch von der FDA anerkannt wurde.

Für manche Produkte ist statt oder zusätzlich zur Sterilität auch Pyrogen-Freiheit erwünscht oder gar erforderlich, insbesondere bei Produkten mit Körperkontakt. Hier ist es erforderlich, sich Produktionsprozesse und mögliche Anschmutzungen durch die Fertigung ganz genau anzusehen, ggf. geeignete Reinigungsschritte einzubauen und eines gewissen Reinheitsniveau entsprechend im Rahmen einer Validierung zu belegen. Ein einmaliger, negativer LAL-Test oder Kaninchentest reicht für einen dauerhaften Nachweis der Pyrogenfreiheit nicht aus.

Bioburden und Pyrogenität – beide Themenkomplexe rücken im Rahmen der MDR Zertifizierungen stärker in den Fokus. Sei es im Rahmen von Aufbereitungsvalidierungen oder einer neuen Sicht auf Produktionsprozesse. Auch wenn das Zählen mühselig sein mag, verschließen Sie nicht die Augen davor! Wir stehen Ihnen bei der Detektion und dem Monitoring gerne zur Verfügung. Anwender und Patienten werden es Ihnen danken.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.