Der Analytical Performance Report (APR) – Zentrale Komponente der Leistungsbewertung gemäß IVDR
Die Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) stellt erhöhte Anforderungen an die Leistungsbewertung von IVD-Produkten. Ein zentrales Element im Rahmen der technischen Dokumentation ist der Analytical Performance Report (APR). Er dokumentiert, in welchem Umfang das Produkt die Analyseleistung im Sinne des Anhangs I (Abschnitt 9.1, Buchstabe a) und Anhang XIII, Teil A, Abschnitt 1.2.2 der IVDR erfüllt.
Überblick und Definition der Analyseleistung
Die Analyseleistung beschreibt die Fähigkeit eines Produkts, einen bestimmten Analyten korrekt, präzise und zuverlässig zu erfassen, zu messen oder nachzuweisen – unter definierten Bedingungen. Sie stellt den ersten Teil der Leistungsbewertung gemäß IVDR dar und bildet die Grundlage für eine spätere Bewertung der klinischen Leistung. Gemäß Anhang XIII, Teil A, Abschnitt 1.2.2 der IVDR ist der Hersteller verpflichtet, die Analyseleistung seines Produkts durch geeignete Studien nachzuweisen – es sei denn, er kann schlüssig begründen, warum bestimmte Nachweise nicht zutreffend oder möglich sind. Dies betrifft insbesondere Produkte ohne direkten Analyten oder mit neuartigen biomolekularen Zielstrukturen, für die keine Referenzmethoden oder zertifizierte Vergleichsmaterialien vorliegen.
Ziel der analytischen Leistungsbewertung ist es, durch technisch validierte Messmethoden sicherzustellen, dass falsch bzw. falsch-negative oder falsch-positive Resultate durch methodische Schwächen vermieden werden.
Während die klinische Leistungsbewertung Aussagen zur Aussagekraft des Tests im medizinischen Kontext trifft, bildet die Analyseleistung die zwingende Grundlage dafür, dass ein Testergebnis überhaupt technisch zuverlässig ist.
Typische Parameter für die Analyseleistung
Die folgenden Parameter nach Anhang I, Abschnitt 9.1 (a) der IVDR sind typische Prüfaspekte für die Analyseleistung – sie müssen jedoch nur adressiert werden, sofern sie auf das Produkt zutreffen:
- Analytische Sensitivität: Bestimmung der Nachweisgrenze (LoB, LoD, LoQ), z. B. bei quantitativen Assays.
- Analytische Spezifität: Kontrolle möglicher Interferenzen (z. B. Hämolyse, Lipämie, Kreuzreaktionen mit strukturell ähnlichen Molekülen).
- Trueness (Richtigkeit): Abweichung vom wahren Wert (Referenzwert).
- Precision (Präzision): Wiederholbarkeit unter gleichen (intra-assay) und reproduzierbaren (inter-assay) Bedingungen. Manchmal angegeben durch die Standardabweichung.
- Accuracy (Genauigkeit): Ergebnis aus Trueness und Precision.
- Messbereich und Linearität: Bereich, in dem der Test valide Ergebnisse liefert, inkl. Verifikation der Linearität.
- Cut-off-Wert: inkl. Validierung der Schwellenwerte und der Probenstabilität/Probenhandhabung.
Nicht alle Produkte benötigen alle Nachweise. Ein qualitativer Schnelltest wird z. B. keinen quantitativen Messbereich benötigen. In solchen Fällen ist im APR klar darzulegen, warum bestimmte Parameter nicht zutreffend oder technisch nicht relevant sind. Die Begründung erfolgt auf Basis der Risikoklassifikation, des Verwendungszwecks und des Claims.
Abgrenzung zur diagnostischen Sensitivität/Spezifität
Im Gegensatz zur diagnostischen Sensitivität (Anteil korrekt erkannter Kranker) und diagnostischen Spezifität (Anteil korrekt erkannter Gesunder) bewertet die analytische Sensitivität und Spezifität ausschließlich die technische Fähigkeit des Tests, korrekte Messergebnisse zu liefern – unabhängig von der klinischen Aussagekraft. Das Ziel ist es, falsche bzw. falsch-negative oder falsch-positive Messergebnisse auf technischer Ebene zu minimieren, z. B. durch Vermeidung von Interferenzen, Sättigungseffekten oder falsch eingestellter Cut-off-Werte.
Inhalt und Struktur des APR
Der APR konsolidiert alle analytischen Daten eines Produkts und beantwortet die Frage, ob und inwieweit der jeweilige Analyt geeignet ist, die zugrundeliegende Erkrankung oder den zugrundeliegenden physiologischen Zustand zu identifizieren.
Beispiele aus der Praxis
- Quantitativer Immunoassay zur Bestimmung von C-reaktivem Protein (CRP):
Für diesen Test sind beispielsweise die Nachweisgrenze (LoD), der Linearitätsbereich und die Präzision entscheidend. Die Validierung könnte u. mit referenzierten Humanseren, standardisierten Kalibrationskurven sowie durch Wiederholbarkeits- und Reproduzierbarkeitsstudien erfolgen. - Molekulardiagnostischer PCR-Test zum Nachweis von Influenza A/B:
Hier stehen beispielsweise die analytische Sensitivität (Bestimmung der niedrigsten detektierbaren Viruslast) und die Spezifität (z. Ausschluss von Kreuzreaktionen mit anderen respiratorischen Pathogenen) im Vordergrund. Zudem könnte die Trueness durch den Vergleich mit einem etablierten Goldstandard-PCR-Verfahren belegt werden. - Urin-Teststreifen zur multiparametrischen Analyse:
Diese Tests erfordern insbesondere die Prüfung auf analytische Spezifität, etwa durch die Bewertung möglicher Kreuzreaktionen zwischen chemisch ähnlichen Substanzen wie Ketonen und Glukose. Auch der Einfluss von Störfaktoren wie pH-Wert oder Dichte auf den Farbumschlag sollte im Rahmen der Robustheitsprüfung berücksichtigt werden.
Sonderfall: IVD-Produkte der Klasse A ohne analytische Zielgröße
Produkte wie Zentrifugen, Reagenzbehälter, Pufferlösungen oder Inkubatoren fallen gemäß IVDR Regel 5 unter Klasse A. Diese Produkte besitzen keine eigene analytische Zielgröße, tragen aber zur Gesamtleistung des diagnostischen Systems bei.
Zur Veranschaulichung dient beispielhaft eine Zentrifuge als Klasse A IVD ohne direkte Analyseleistung:
Eine Zentrifuge verarbeitet Proben präanalytisch, d. h. sie beeinflusst entscheidend die Qualität der Probe, jedoch nicht direkt die Messung eines Analyten. Dennoch ist eine technische Leistungsbewertung notwendig, u. a.:
- Verifikation der Drehzahl mittels kalibriertem Tachometer
- Timer-Genauigkeit bei definierten Laufzeiten
- Maximale Beladung unter Routinebedingungen
Die Einhaltung dieser technischen Parameter unterstützt indirekt die Analyseleistung des nachfolgenden Tests – insbesondere bei empfindlichen Analyten (z. B. zellulären Komponenten, die bei falscher Zentrifugation zerstört würden).
Für diese Produkte ist eine klassische analytische Leistungsbewertung allerdings nicht zutreffend.
Die IVDR (Anhang XIII Teil A 1.2.2) erlaubt in solchen Fällen eine begründete Ausnahme, wenn analytische Parameter sachlich nicht anwendbar sind.
Die Konformität kann in diesen Fällen durch technische Prüfungen, Bench-Tests und eine risikobasierte Argumentation nachgewiesen werden, analog zu Ansätzen, wie sie für Klasse-I-Produkte in der MDR beschrieben sind.
Integration in die technische Dokumentation
Der APR ist integraler Bestandteil des Performance Evaluation Reports (PER) und muss mit dem Performance Evaluation Plan (PEP) abgestimmt sein. Weitere Bezüge bestehen zu:
- Summary of Safety and Performance (SSP) – bei Produkten der Klasse C und D.
- Instructions for Use (IFU) – alle Aussagen in der IFU müssen durch Daten im APR oder Clinical Performance Report (CPR) belegt werden.
- Parameter aus Stabilitätsberichten (ISO 23640, ggf. unter realen Transport- und Lagerbedingungen) fließen in den APR ein.
Die Leistungsdaten müssen geeignet sein, um die Anforderungen an Sicherheit und Leistungsfähigkeit nach Anhang I der IVDR vollständig zu adressieren. Eine Schlussfolgerung zur Analyseleistung ist im APR zu dokumentieren.
Fazit
Der Analytical Performance Report (APR) ist ein zentrales Element der IVDR-konformen Leistungsbewertung. Er belegt, ob ein Produkt analytisch valide arbeitet – oder, im Fall von Klasse A IVDs, ob es technisch geeignet ist, die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu unterstützen.
Ziel der Analyseleistung ist es, technisch falsche Ergebnisse zu vermeiden und damit die Zuverlässigkeit der Diagnostik abzusichern.
Ein fundierter APR basiert auf geplanten, nachvollziehbar dokumentierten und statistisch ausgewerteten Daten. Er ist die zentrale Grundlage für eine schlüssige, auditierbare und erfolgreiche Konformitätsbewertung.
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Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.