Wunderbar – das Gerät ist fertig entwickelt, der Prototyp läuft und tut, was er soll. Nun gut, der Vollständigkeit halber wird er noch im Klimaschrank für erhöhte Umgebungstemperaturen geprüft – und fällt prompt wegen Überhitzung aus.

Herausforderungen im Wärmemanagement

Sicher gehen die meisten Entwickler nicht so blauäugig an die Sache heran, dennoch ist das Wärmemanagement für ein medizinisches Gerät immer wieder ein Thema, das die Ingenieure beschäftigt. Für die meisten Elektroniker und Maschinenbauer ist Thermodynamik bestenfalls Nebenfach und so gibt es immer wieder unliebsame Überraschungen.

Mit methodischem Vorgehen lassen sich die meisten thermischen Probleme in früher Projektphase eingrenzen und es kann eine geeignete Lösung entwickelt werden.

Aus verschiedenen Gründen wird versucht, ein Gerät mit geschlossenem Gehäuse und ohne Lüfter aufzubauen. Hierbei spielen unter anderem Eingriffsschutz, Schmutzeintrag, Geräuschbildung und Kosten eine Rolle. Aber wie kann ich vorher abschätzen, ob es auch ohne Lüfter geht?

Bedingungen und Berechnungen

Erste Voraussetzung ist, die Umgebungsbedingungen im Betriebsfall zu kennen. Beim Temperaturbereich sind auch ungünstige Situationen wie direkte Sonneneinstrahlung oder kalte Luftströmung aus einer Klimaanlage zu betrachten. Der Umgebungsdruck, abhängig vom Wetter und der Höhenlage, ist ebenfalls relevant: Luft bei niedrigem Druck und in höheren Lagen ist weniger dicht und kann daher weniger Wärme je Volumeneinheit aufnehmen. Zusätzlich spielt die zukünftige Umgebung eine Rolle: wohin könnte überschüssige Wärme abgeleitet werden? Weitere Parameter können abhängig vom konkreten Fall eine Rolle spielen.

Als zweites sind die Bedingungen im Gerät zu ermitteln. Vor allem, für welchen Temperaturbereich die verbauten bzw. geplanten Komponenten zugelassen sind. Weiter, ob aus funktionalen Gründen ein bestimmter Temperaturbereich eingehalten werden muss (Beispiele: 40°C wegen Einweißkoagulation oder 10°C bis 50°C wegen Kalibrierung eines Sensors, …). Platzverhältnisse im Gerät, Lage möglicher Lüftungsöffnungen und funktional bedingte Anordnung von Komponenten spielen ein vielen Fällen eine Rolle.

Berechnungsmethoden und Optimierung

Für die abzuführende Wärmemenge kann man häufig den Bedarf an elektrischer Energie annehmen.

Pel = Q‘v

Pel ist die aufgenommene elektrische Leistung, Q’v der abzuführende Wärmestrom, beide typischerweise in W.

Um Überdimensionierung zu vermeiden, wählt man meist eine hohe Dauerlast Pel statt einer einmaligen kurzzeitigen Maximalleistung als Berechnungsgrundlage.

Nun heißt es ein wenig rechnen. In den meisten Fällen reichen wenige Formeln:

Für den Wärmedurchgang durch eine ebene Wand – und das sind die meisten Gehäuse – gilt:

Q‘ = k*A*Δθ

Wobei Q‘ der transportierte Wärmestrom und k der Wärmedurchgangskoeffizient ist. Er ist überwiegend durch die Luftbewegung dominiert. Er bewegt sich etwa im Bereich von 5 W/m2K bei Kunststoffgehäusen und ruhiger Luft bis über 50 W/m2K bei Metallgehäusen und kräftig bewegter Luft im und um das Gerät. A ist die Oberfläche des Geräts, die zur Kühlung zur Verfügung steht, und die Temperaturdifferenz

               Δθ = θimax – θumax

mit θimax der maximale zulässigen oder gewünschten Temperatur im Geräteinneren und θumax der maximal anzunehmenden Umgebungstemperatur.

Finden wir

Q’ > Q’v

so dürfen wir uns freuen, denn die Verlustwärme wird ohne weitere Maßnahmen „einfach so“ über die Außenhülle abgegeben.

Leider ist die Welt der Geräteentwicklung nicht immer so freundlich und die Verlustleistung ist größer als der durch die Wand abgegebene Wärmestrom. Nun heißt es überlegen, ob und wie es ohne extra Lüftung geht.

Sehr wirkungsvoll ist es, die Verlustleistung als solches zu senken (das Übel an der Wurzel fassen!), was in vielen Fällen geht, häufig auch nicht.

Mit den in k versteckten Größen (Wärmeleitung und Dicke des Wandmaterials, Wärmeübergangskoeffizienten auf beiden Seiten der Wand) stehen mächtige Werkzeuge zur Verfügung, geht er doch als Faktor k direkt in die Formel ein. Er wird vor allem durch die Medien (hier Luft) auf beiden Seiten einer Gehäusewand und deren Geschwindigkeit sowie deren Dicke und der Wärmeleitfähigkeit des Wandmaterials bestimmt.

Da in den meisten Fällen die Wandstärke eines Gehäuses eher gering ist, bestimmt vor allem die Luftgeschwindigkeit, wie gut die Wärme transportiert werden kann. Durch forcierte Luftbewegung lässt sich der Wärmedurchgang wesentlich verbessern. Wenn sich die Luftbewegungen im Geräteinneren und in der Umgebung wesentlich unterscheiden, muss k separat ausgerechnet werden, die obigen Schätzwerte reichen nicht.

Eine Vergrößerung der Gehäuseoberflächen (A) ist ebenfalls ein Mittel. Nur in seltenen Fällen reicht eine leichte Vergrößerung des Gehäuses aus. Da es eine meist kostengünstige Lösung ist, sollte man es trotzdem mal durchrechnen. Wieviel Prozent müsste die Fläche größer sein, um alle Wärme abzuführen? Bei einem quaderförmigen Gehäuse führt die Verlängerung jeder Kante um einen Faktor x zu einer Vergrößerung der Gesamtoberfläche um den Faktor x2.

Wesentlich mehr zusätzliche Fläche lässt sich durch Kühlrippen erreichen. Dabei werden die Transportwege für die Wärme innerhalb der Rippen erheblich länger als die ursprüngliche Wandstärke. Deshalb spielen Wärmeleiteigenschaften des Materials eine große Rolle. Aluminium leitet Wärme etwa 200-mal besser als massive Kunststoffe und etwa 20-mal besser als Edelstahl. Kühlrippen kann man auch auf der Innenseite eines Gehäuses anbringen. Unabhängig ob innen oder außen – zunächst ist es günstig, die Rippen vertikal anzubringen, um eine Konvektionsströmung zu ermöglichen. Freier in der Anordnung ist man bei Stiftkühlkörpern, die zudem oft noch bessere Wärmeübergangswerte haben.

Im Inneren des Gerätes sind ggf. weitere oder andere Maßnahmen möglich, z. B. die fragliche Fläche direkt anblasen. Hierbei wälzt ein Lüfter nur die Luft im Geräteinneren um. Das bringt immer noch Vorteile gegenüber Öffnungen in der Gehäusewand.

Punktuelle Wärmequellen können direkt an einer Außenkühlfläche befestigt werden. Für eine genauere Berechnung muss der Wärmestrom auf die dann entstehenden Einzelflächen des Gehäuses aufgeteilt werden, wobei jede Teilfläche individuelle k, A und evtl. auch Δθ haben wird.

Sofern es von den Randbedingungen her möglich ist, eine Lüftung (direkter Luftaustausch mit der Umgebung) einzubauen, ist das meist effektiver als ein optimierter Wärmetransport durch die Wand.

Für vertikal aufgebaute Geräte kann eine Konvektionslüftung berücksichtigt werden. Ausgenutzt wird der „Kamineffekt“: Die erwärmte Luftsäule im Inneren des Gerätes erzeugt an ihrer Unterseite einen geringeren Schweredruck als die kühlere Umgebungsluft. Befinden sich in der Nähe des Gehäusebodens und der Geräteoberseite Öffnungen, wird unten kühle Luft nachströmen und oben erwärmte Luft austreten. Vorteilhaft ist der geringe Geräuschpegel. Die abführbare Wärmemenge ist stark abhängig vom Design des Gerätes. Günstig ist es z. B., wenn das Gerät möglichst hoch ist, über große Luftein- und -austrittsflächen verfügt, die am meisten Wärme abgebenden Bauteile sich im Gerät unten befinden und die zulässige Temperaturdifferenz zur Umgebung groß ist. Gut dimensioniert lässt sich schnell eine 10-mal bessere Wärmeableitung als bei geschlossenem Gehäuse erreichen.

Wenn das alles nichts hilft, muss wohl doch eine aktive Lüftung her. Immerhin wissen wir es jetzt vorher und merken es nicht erst beim Test.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.