Aufbereitung von wiederverwendbaren Medizinprodukten
Hersteller von Medizinprodukten, die im Lauf ihres Lebens mehrfach verwendet werden, müssen nach GSPR 11.1, 11.2 und 11.6 belegen können, dass ihre Produkte kein Risiko für Anwender und Patienten darstellen. Dies betrifft insbesondere invasive Produkte, doch auch vermeintlich „harmlose“ Produkte können ein Risiko in sich bergen. Erfahren Sie von uns mit welchen Schritten Sie die passende Aufbereitung identifizieren und verständlich in der Gebrauchsanweisung darstellen, um auch GSPR 23.4 zu erfüllen
Regulatorische Basis für die Aufbereitung
Ganz allgemein wird das Thema Reinheit und Aufbereitung über die bereits erwähnten GSPR 11.1, 11.2 und 11.6
- 1: Die Produkte und ihr Herstellungsverfahren werden so ausgelegt, dass das Infektionsrisiko für Patienten, Anwender und gegebenenfalls Dritte ausgeschlossen oder so gering wie möglich gehalten wird. […] c) ein Entweichen von Mikroben aus dem Produkt und/oder eine mikrobielle Exposition während der Verwendung so weit wie möglich verringern […]
- 2: Die Produkte werden erforderlichenfalls so ausgelegt, dass ihre Reinigung, Desinfektion und/oder wiederholte Sterilisation leicht möglich ist.
- 6 Produkte, die sterilisiert werden sollen, werden unter angemessenen und kontrollierten Bedingungen und in angemessenen und kontrollierten Räumlichkeiten hergestellt und verpackt.
Die Auslegung und Produktion kann hier bereits im Rahmen der Fertigungsprozesse einiges leisten, um keimarme oder sterile Produkte in Verkehr zu bringen.
- Reinheit von Produkten – Risikoorientierte Validierung der Reinheit, Entwicklung von Akzeptanzkriterien und Auswahl von Prüfverfahren
- Bioburden & Pyrogenität – wenn die äußeren Werte zählen
Sieht man sich jedoch die Thematik unter der mehrfachen Verwendung und einer entsprechend sorgfältigen Auslegung an, so merkt man schnell: zu diesen GSPRs sind in Europa bislang keine passenden Normen harmonisiert worden. Was also tun? Nun, man muss den Umweg über die GSPR 23.4 nehmen – Punkt i, m und n
- i) Erläuterung einer vor oder während der Verwendung des Produkts möglicherweise erforderlichen Vorbehandlung oder Aufbereitung wie Sterilisation, Endmontage, Kalibrierung, einschließlich des Desinfektionsgrads, der erforderlich ist, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten, und aller Methoden, die zur Erreichung dieses Desinfektionsgrads zur Verfügung stehen;
- m) wird das Produkt nicht steril geliefert und ist es dafür bestimmt, vor der Verwendung sterilisiert zu werden, eine angemessene Anleitung zur Sterilisation;
- n) bei wiederverwendbaren Produkten Angaben über geeignete Aufbereitungsverfahren, z. B. zur Reinigung, Desinfektion, Verpackung und gegebenenfalls über das validierte Verfahren zur erneuten Sterilisation entsprechend dem/den Mitgliedstaat(en), in dem/denen das Produkt in Verkehr gebracht worden ist. Es ist deutlich zu machen, woran zu erkennen ist, dass das Produkt nicht mehr wiederverwendet werden sollte, z. B. Anzeichen von Materialabnutzung oder die Höchstzahl erlaubter Wiederverwendungen;
Für diese GSPR und ihre Unterpunkte ist die 17664-Reihe harmonisiert:
- DIN EN ISO 17664-1:2021-11 Vom Medizinprodukt-Hersteller bereitzustellende Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten – Teil 1: Kritische und semi-kritische Medizinprodukte
- DIN EN ISO 17664-2:2024-04 Vom Medizinprodukt-Hersteller bereitzustellende Informationen für die Aufbereitung von Medizinprodukten – Teil 2: Unkritische Medizinprodukte
Sie bilden im ersten Schritt den Rahmen für die Bereitstellung der entsprechenden Information für den Betreiber und Anwender. Vor Bereitstellung der Information steht jedoch die Erarbeitung eines tatsächlich geeigneten Verfahrens, deren Startpunkt jedoch ebenfalls diese beiden Normen bilden, je nach Kritikalität.
Für diese Erarbeitung der Validierung kommen dann – je nach Zielländern – verschiede regulatorische Anforderungen in Betracht, beispielsweise die folgenden Normen (europäische oder internationale Versionen):
- ISO 15883-5: 2021 Reinigungs-Desinfektionsgeräte – Teil 5: Leistungsanforderungen und Kriterien für Prüfverfahren zum Nachweis der Reinigungswirksamkeit
- AAMI TIR12: 2020/(R)2023 Designing, testing, and labeling medical devices intended for processing by health care facilities: A guide for device manufacturers
- ANSI/AAMI ST98:2022 Cleaning validation of health care products – Requirements for development and validation of a cleaning process for medical devices
- ANSI/AAMI ST79: 2017 with Amendments: Comprehensive guide to steam sterilization and sterility assurance in health care facilities
Zusätzlich sind auch noch landesspezifische Vorgaben bei der Planung und Bewertung der Aufbereitung zu berücksichtigen, beispielsweise
- FDA guidance document: Reprocessing Medical Devices in Health Care Settings: Validation Methods and Labeling, March 2015
- Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten – Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): 2012
Achtung! In der Regel spricht man von einer AufbereitungsVALIDIERUNG, wenn es über die Nachweisführung geht. Diese wird in erster Linie jedoch über die oben benannten, harmonisierten Normen angeführt und ist auch entsprechend umzusetzen.
Insbesondere bei Produkten, die keinen Patientenkontakt haben, aber von Zeit zu Zeit einer Aufbereitung bedürfen, sollte hier der Fokus auf der Nachweisführung für die GSPRs 11.1, 11.2 und 23.4 selber liegen. Unter Verwendung einer „anderen Lösung“ lassen sich auch andere Wege finden, um eine sichere Aufbereitung zu erarbeiten.
Wie kritisch ist mein aufzubereitendes Produkt?
Doch wie genau bewertet man, wie kritisch die Verschmutzungen und Anhaftungen an einem Medizinprodukt sind?
Und warum ist dies so zentral für die weitere Planung der Aufbereitung? Nun, je nach Art und Umfang der identifizierten Verschmutzungen und Anhaftungen wird ein Aufbereitungsszenario erarbeitet, welches dann zu validieren / zu bewerten ist.
Hilfreich bei der Identifizierung der Kritikalität ist die so genannte Spaulding Classification:
Â
Unkritisch |
Kein direkter Kontakt mit dem Patienten |
Nur Kontakt mit intakter Haut |
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Semi kritisch |
Kontakt mit den Schleimhäuten |
Kontakt mit nicht-intakter Haut |
|
Kritisch |
Kontakt mit dem Blutkreislauf |
Kontakt mit Knochen |
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Kontakt mit anderen normalerweise sterilen Körperteilen |
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Direktes Einbringen in den menschlichen Körper |
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In der Regel wird anhand des Risikoprofils gemeinsam mit der ausgewählten Spaulding Classification und weiteren Produkteigenschaften im ersten Schritt definiert, ob ein Produkt zu reinigen, zu desinfizieren und/oder zu sterilisieren ist.
Ferner sind Handreichungen wie die der KRINKO ebenfalls von Interesse, insbesondere bei Medizinprodukten ohne Kontakt mit dem Patienten. Auch aus ihnen lassen sich die für die Krankenhäuser zu validierenden Schritte gut ableiten.
Die drei Schritte der Aufbereitung
Wurde eine Medizinprodukt – oder auch ein In Vitro Diagnostikum, welches mehrfach verwendet werden und in diesem Rahmen verschmutzt werden könnte – als aufzubereiten identifiziert und nach Spaulding eingestuft, werden in der Regel drei Schritte der Aufbereitung in Betracht gezogen:
Reinigung: Entfernung von Verunreinigungen, um die Sicherheit des Produkts zu gewährleisten.
Die Reinigung ist häufig ein erster Schritt, um offensichtliche Anschmutzungen zu entfernen. Dies kann durch mechanische Verfahren erfolgen und wird in der Regel durch eine Sichtprüfung des Anwenders bestätigt. In der Validierung werden zur visuellen Prüfung die Rückstände von klinisch relevanten Analyten untersucht. Nach ihr verbleiben jedoch in der Regel nicht sichtbare Anschmutzungen wie Bakterien oder Viren.
Desinfektion: Verfahren zur Reduzierung von Mikroorganismen auf ein akzeptables Niveau.
Im nächsten Schritt, der Desinfektion, werden verbleibende Mikroorganismen auf ein akzeptables Niveau, mathematisch durch ein Niveau von 10-3 bis 10-5 ausgedrückt, reduziert. Es bleibt also das Risiko, dass sich weiterhin Keime auf dem Produkt befinden. Je nach Klassifizierung und Länderanforderungen kann die Desinfektion auch der letzte Schritt der Aufbereitung sein.
Sterilisation: Prozess zur vollständigen Befreiung von lebensfähigen Mikroorganismen.
Insbesondere semi-kritische und kritische Medizinprodukte werden nach der Reinigung und Desinfektion einer Sterilisation unterzogen, bevor sie erneut am Patienten zur Anwendung kommen. Hierbei soll ein Reduktionsniveau von 10-6 erreicht werden. Es wird also angenommen, dass keine lebensfähigen Mikroorganismen wie Viren und Bakterien mehr auf dem Produkt verbleiben. Dies ist in der Regel auf Grund der Kontaktart und Intensität des Produktes notwendig, um beispielsweise der Verbreitung von Krankheiten zwischen verschiedenen behandelten Patienten Einhalt zu gebieten.
Die häufigste Methode zur Sterilisation innerhalb eines Krankenhauses ist die Dampfsterilisation, jedoch kommen auch andere Verfahren wie Strahlen- oder EO Sterilisation zum Einsatz.
Lifetime und Biologische Bewertung im Rahmen der Validierung
Mit Umstellung der Zertifizierungen von MDD auf MDR und fortschreitendem Stand der Technik reicht eine reine Aufbereitungsvalidierung nicht mehr aus. Gerade bei kritischen und semi-kritischen Produkten, die eine häufige und intensive Aufbereitung erfordern, spielen die Themen Lifetime und Biologische Verträglichkeit ebenfalls eine immer größere Rolle in diesem Themenkomplex.
Die Validierung sollte daher von Anfang auch einen klaren Rahmen für Bewertung der Produktstablilität und -Leistungsfähigkeit über den gesamten Produktlebenszyklus umfassen, sowie mögliche negative Auswirkungen auf das biologische Risikoprofil, ausgelöst durch Reinigungs/Desinfektionsmittel oder die Sterilisation, untersuchen.
Hierbei sei der Vollständigkeit halber auch erwähnt, dass die Lifetime (also die Produktlebensdauer) nicht zu verwechseln ist mit dem Shelf Life (also der Dauer, in der das Produkt im erzielten Zustand auf Lager liegen kann, bis es z.B. nicht mehr steril und leistungsfähig ist). Je nach gewählter Verpackung des aufbereiteten Medizinprodukts, können Shelf Life und Lifetime gleichermaßen zu bewerten sein.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.