Reinheit von Medizinprodukten
Nicht nur sauber sondern rein – ein risikobasiertes Credo für alle Hersteller von Medizinprodukten.
In unserem Beraterleben werden wir oft gefragt: „Wo steht das geschrieben? Wo finde ich die Grenzwerte? Welches Gesetz gilt hierfür?“ Die Hersteller und ihre Mitarbeiter hoffen dabei auf klare Aussagen, wie sie bestimmte Anforderungen erfüllen oder umsetzen müssen.
Meist müssen wir jedoch antworten: „Dafür bietet die europäische Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 „nur“ den risikobasierten Ansatz an. Es gibt im Gesetzestext keine klaren Grenzwerte oder Vorgaben.“Ganz nach individueller Sichtweise mag das gut oder schlecht erscheinen, denn wer seine Produkte unter einem soliden Risikomanagementsystem entwickelt, hat hier Freiheiten der Interpretation. Aber im Hinblick auf Produkthaftung kann diese Freiheit trügerisch sein und die subjektive Vorstellung, wann ein Risiko akzeptabel ist,unterscheidet sich zwischen den Firmen.
Für eine gleichmäßige Bewertung von Risiken, sollte man immer einen Blick in die anwendbaren Normen werfen, vor allem wenn es um die Produktionsbedingungen, um die Beschaffenheit von Rohmaterialien oder prinzipiell die Produkteigenschaften geht. Hier finden sich sowohl in den vertikalen,produktbezogenen Normen wichtige Anhaltspunkte, aber auch in den horizontalen Normen, die unabhängig vom Produkt gelten, finden sich Vorgaben.
Seit diesem Jahr gibt es zum Thema Reinheit die deutsche Vornorm DIN/TS 5343 „Reinheit von Medizinprodukten – Risikoorientierte Validierung der Reinheit, Entwicklung von Akzeptanzkriterien und Auswahl von Prüfverfahren“.
Warum sollte man sich mit der Reinheit seines Medizinprodukts beschäftigen?
Immer wenn ein Medizinprodukt direkt oder indirekt in Berührung mit Patienten, Anwendern und Dritten kommt,besteht die Möglichkeit einer Gefährdung über Keime oder gefährliche Stoffe, insbesondere wenn diese Punkte beim Hersteller nicht ausreichend betrachtet und keine Maßnahmen ergriffen wurden.
Keime auf Produkten können zu Infektionen und Fieber führen; herauslösbare Stoffe oder Verunreinigungen zu Allergien, Vergiftungen oder anderen gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Keimbelastung des Produkts ist also ein Produktrisiko.
Der Hersteller ist angehalten, die EN ISO 10993-1 „Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 1:Beurteilung und Prüfungen im Rahmen eines Risikomanagementsystems“ in sein Risikomanagement einzubeziehen und entsprechende Pläne und Berichte zu erzeugen. Oft kommt es zwar dadurch zum „Oha“-Moment, in dem man feststellt, dass sich manch faustdicke Verunreinigung auf dem Produkt verirrt und die eigene Binde, äh Weste doch nicht so blütenweiß ist wie gedacht. Der Vorgang muss vom Ende her aufgerollt und im wahrsten Sinne bereinigt werden.
Verunreinigungen auf dem Medizinprodukt von Anfang an vermeiden
In der Entwicklung sollte als eines der wichtigsten Merkmale die Reinheit des Medizinprodukts festgelegt werden – unabhängig von der Risikoklasse des Produktes. Auch ein Klasse I oder ein Klasse II Produkt, das nicht steril sein muss, kann Gefahren für Anwender, Patienten oder Dritte bergen, wenn es unsauber produziert wurde. Es ist daher wichtig, bereits während der Entwicklungsphase die vorgesehenen Materialien inkl. Hilfsmitteln und Betriebsstoffen sowie die angedachten Produktionsbedingungen gegen diesen Anspruch zu verifizieren und zu validieren. Hierzu zählen jegliche Stoffe, die durch die Fertigung am Produkt verbleiben können: Kleber, Öle, Schmierstoffe, Reinigungsmittel. Dann bleibt auch der „Oha“-Moment aus.
Bei Bestandsprodukten ist es ratsam sich im Rahmen der Post-Market Surveillance mit diesen Punkten auseinander zu setzen. Daten zur Reinheit der Produkte sollten in bestimmten Abständen erhoben und mit Blick auf den definierten Anspruch der Reinheit bewertet werden – Stichwort Bioburden. Ihre Weste soll ja nicht nur nach dem ersten Waschgang sauber aus der Maschine kommen.
Hilfestellung für Hersteller durch die Vornorm DIN/TS 5343
Die Hoffnung ist natürlich hoch, dass sich in dieser Norm konkrete Werte wieder finden, dies ist jedoch nicht der Fall. Gleichzeitig weist die Norm in ihrer Einleitung jedoch darauf hin, dass eine 100%-ige Reinheit nicht erreichbar ist. Auch für die Umsetzung dieser Norm muss der Hersteller seine Werte also selber finden, die Norm begleitet ihn jedoch dabei. Stichworte aus dem Inhaltsverzeichnis wie „Entwicklung eines Reinigungsprozesses“, „Validierung der Reinheit“ und „Ermittlung und Festlegung von Akzeptanzkriterien für die Reinheit“ lassen einen erahnen, wo die Reise hingeht. Wie hilft die DIN/TS 5343 also konkret weiter? Sie führt Aspekte aus verschiedenen Bereichen, die häufig von Herstellern isoliert betrachtet werden, zusammen. Das Thema wird frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebettet und die Norm erläutert grob das Vorgehen einer Validierung. Bekannte Prüfkonzepte werden aufgerufen, so zum Beispiel die Bioburden-Prüfung nach EN ISO 11737-1, bakterielle Endotoxine im LAL Test oder chemische Charakterisierungen nach EN ISO 10993-18.
Die Vornorm fordert dazu auf Produkt(gruppen)bezogene Vorgaben festzulegen, räumt aber zeitgleich ein, dass es nicht für alle Produkte standardisierte Akzeptanzkriterien gibt. Da heißt es also risikobasierte Werte zu ermitteln oder an anderer Stelle zu suchen. Eine mögliche Quelle, die zwar bereits etwas eingestaubt ist, aber weiterhin Bestand hat, kann die „RDS 005 Anleitung für die Festlegung von Mindestkriterien zur mikrobiologischen Reinheit von Medizinprodukten“ aus dem April 2014 sein. Dort finden sich Anregungen für Keimzahlgrenzwerte. Bei stofflichen Verunreinigungen lohnt sich auch ein Blick in die DIN EN ISO 14644-5:2005 oder in das VDI 2083 Blatt 21 Reinraumtechnik – Reinheit von Medizinprodukten im Herstellungsprozess. Denn je intensiver der Kontakt des Medizinprodukts mit dem Anwender oder Patienten wird, umso sauberer muss gefertigt werden. Verunreinigungen sind schwierig zu steuern, darum sollten sich Hersteller intensiv mit den von ihnen verwendeten Rohstoffen, Lieferanten und Produktionsprozessen beschäftigen.
Sie sind sich nicht sicher wie sauber Ihre Weste ist? Oder gibt es noch einen „Fleck“, der einfach nicht zu entfernen ist? Sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie bei der Ermittlung der möglichen Verunreinigungsquelle und bei der Verbesserung Ihrer Prozesse.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.