Die Feststellung der Biokompatibilität von Medizinprodukten und deren Komponentenmaterialien sowie die Bewertung sind von großer Bedeutung für die Gewährleistung der Produktsicherheit. Jeglicher negative Einfluss auf Patienten in ihrer Umgebung soll vermieden werden. Die Normenreihe der ISO 18562 befasst sich mit dem Risiko der Übertragung potenziell gefährlicher Stoffe durch den Gasweg zum Patienten.
Die biologische Bewertung von Medizinprodukten wird durch die internationale Normenreihe ISO 10993 – „Biologische Bewertung von Medizinprodukten“ – geregelt. Sie besteht derzeit aus 18 einzelnen Normen sowie spezifischen technischen Berichten und zusätzlichen Richtlinien. Im Oktober 2018 wurde eine neue Ausgabe der ISO 10993-1 „Bewertung und Prüfung im Rahmen eines Risikomanagementprozesses“ veröffentlicht.
Die Normenreihe und ihre Abgrenzung zur ISO 10993
Die ISO 10993 beschreibt Methoden zur Simulation eines direkten Kontakts des menschlichen Körpers mit dem Medizinprodukt bzw. den Kontakt mit durch (Körper-)Flüssigkeiten herauslösbaren Substanzen. Die biologische Beurteilung von Atemgaswegen bei Medizinprodukten wird in der Normenreihe allerdings nicht ausreichend behandelt. In den einleitenden Worten der ISO 18562 wird darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit die ISO 10993-1 von behördlicher Seite so interpretiert wurde, dass Materialien der Atemgaswege im indirekten Kontakt zum Patienten stehen. Demnach sollten die Produkte Prüfungen unterzogen werden, die vergleichbar mit Prüfungen für Medizinprodukte mit Kontakt zu Gewebe sind. Diese Interpretation kann dazu führen, dass mögliche Gefährdungen nicht erkannt werden, bzw. Prüfungen mit zweifelhaftem Nutzen durchgeführt werden. Die Normenreihe ISO 18562 dient dazu, durch die Berücksichtigung zusätzlicher spezifischer Anforderungen für Atemgaswege, eine angemessene biologische Beurteilung von Medizinprodukten zu ermöglichen. Die Dokumente umfassen eine Anleitung für die Entwicklung eines Beurteilungsplans, welcher unter anderem durch die Prüfung der chemischen Bestandteile und die Bevorzugung von in-vitro-Modellen, die Anzahl und Exposition von Versuchstieren minimiert.
Die Normenreihe besteht aus folgenden vier Einzelnormen:
Norm | Titel |
ISO 18562-1:2024-03 | Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 1: Beurteilung und Prüfung innerhalb eines Risikomanagement-Prozesses |
ISO 18562-2:2024-03 | Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 2: Prüfungen für Emissionen von Partikeln |
ISO 18562-3:2024-03 | Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 3: Prüfungen für Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) |
ISO 18562-4:2024-03 | Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 4: Prüfungen für herauslösbare Substanzen in Kondensaten |
Auf ISO- Ebene ist die Normenreihe erstmalig 2017 erschienen und wurde im März 2024 in neuerster Revision veröffentlicht.
Da eine biologische Prüfung sowohl gut geplant als auch sinnvoll getestet werden möchte, sprachen wir als Dienstleister für die unterstützende Planung auf Seiten des Herstellers mit dem Prüflabor Hohenstein Medical in Bönnigheim über die Durchführung der Tests nach der Normenreihe ISO 18562. Hohenstein hat eine jahrelange Expertise für die Untersuchung der Biokompatibilität von Medizinprodukten als akkreditiertes Prüflabor.
Hohenstein ist ein Prüflabor für Textilien, wie kommen Sie auf die Testung der Atemgaswege?
Mit der Submarke Hohenstein Medical prüfen wir seit vielen Jahren auch nicht-textile Produkte. Außerdem sind Teilkomponenten von Geräten wie Filter häufig faserbasiert, dann ist es also kein allzu weiter Weg mehr. Die ISO 18562 Normenreihe ist sehr komplex, nicht nur auf die Anzahl an Prüfungen und Bewertungsverfahren bezogen. Insbesondere die vorausgehende Projektplanung nimmt hier einen großen Teil ein, da jede Prüfung auf das individuelle Medizinprodukt oder Komponentenmaterial angepasst werden muss und viele Faktoren wie z. B. der Volumenstrom bei Beatmungs- oder Inhalationsgeräten eine große Rolle spielen.
Daher wird Herstellern geraten für Prüfungen nach ISO 18562 ein Prüflabor auszuwählen, das:
- eine individuelle Studienplanung und Studienbegleitung bietet,
- alle Teile der ISO 18562 aus einer Hand und an einem Standort anbietet,
- keine zu langen Warte- und Prüfzeiten hat.
Hohenstein Medical ist eines der wenigen Prüflabore, welches die Prüfungen nach ISO 18562 vollumfänglich anbietet. Eine detaillierte Studienplanung in direkter Absprache mit dem Auftraggeber ist bei dieser Prüfung absolut unerlässlich, das spart am Ende Zeit und den Kunden damit auch Geld. Die Prüfungen nach ISO 18562 schließen eine bisherige Lücke im Bereich der Biokompatibilität und werden in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Das Hohenstein Medical Team begleitet Kunden dabei von der Planung bis zum Prüfbericht.
Welche Tests umfasst die Normenreihe ISO 18562?
Der Grundsatz der Normenreihe ist, dass alle Werkstoffe oder Medizinprodukte, Teile und Zubehör für die Anwendung am Patienten auf ihre Biokompatibilität hin bewertet werden müssen. Dies bedeutet nicht notwendigerweise, dass alles getestet werden muss. Je nach Zusammensetzung, Herstellung oder Anwendung kann eine Auseinandersetzung zu der Schlussfolgerung führen, dass keine zusätzlichen Tests erforderlich sind. Die Bewertung des Medizinprodukts muss folgende Punkte beinhalten:
- Die Zusammensetzung mit den physikalischen und chemischen Eigenschaften der Bestandteile über die erwartete Lebensdauer des Medizinprodukts.
- Daten zur menschlichen Exposition.
- Sicherheitsdaten zum Produkt, seinen Bestandteilen, Abbauprodukten und Metaboliten.
Testungen sind zu empfehlen, wenn nicht hergeleitet werden kann, welche Bestandteile sich im Gasstrom oder in Kondensaten des Medizinprodukts lösen können.
Die erste der vier Teilnormen ISO 18562-1 beschreibt übergreifend wie die Bewertung der Biokompatibilität geplant, durchgeführt, dokumentiert und bewertet werden soll. Die Testauswahl wird ebenso beschrieben wie die Festlegung von Grenzwerten. In den weiteren Teilen der Normenreihe (ISO 18562-2, ISO 18562-3 und ISO 18562-4) werden die Vorgehensweisen der anzuwendenden Testprozeduren für Emissionen und herauslösbare Substanzen beschrieben.
Zusätzlich zu den genannten Agenzien mit Gefährdungspotential können noch weitere Stoffe dem Atemgasstrom hinzugefügt werden, die durch diese Normenreihe nicht abgedeckt werden. Die Norm weist allerdings schon darauf hin, dass Behörden vom Hersteller auch die Beurteilung der Biokompatibilitätsgefährdung durch Ozon, Stickoxide, Kohlenstoffmonoxid und -dioxid fordern können.
Wie laufen die ISO 18562 Testungen ab?
Die Prüfung für die Emission von Partikeln wird im zweiten Teil der Normenreihe „Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 2: Prüfungen für Emissionen von Partikeln“ beschrieben. Alle luftführenden und/oder luftproduzierenden Teile von Medizinprodukten werden hierbei unter die Lupe genommen und abgelöste Partikel nach Norm mit Hilfe von Filtern aufgefangen. Alternativ kann die Messung des Partikelausstoßes mit Hilfe eines Partikelzählers erfolgen, der alle aus dem Gerät oder Material gelösten Partikel im Luftstrom misst. Die Norm gibt Grenzwerte an, die dabei nicht überschritten werden dürfen.
Der dritte Teil der Normenreihe behandelt die Prüfung für Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs). Hierfür wird das zu prüfende Medizinprodukt nach Herstellerangaben, in der Regel mit Reinstluft, betrieben, bei individuell festgelegter Temperatur, Luftfeuchte und Volumenstrom. Die aus dem Medizinprodukt ausströmende Luft wird aufgefangen und auf VOCs geprüft. Die Identität und Menge jeder freigesetzten Verbindung ist für die toxikologische Risikobeurteilung vorgesehen, wie in ISO 18562-1 beschrieben wird.
In der neuen Version der Norm, die im März 2024 publiziert wurde, sind neben den VOCs auch VVOCs (very volatile organic compounds) und SVOCs (semi-volatile organic compounds) für die Risikobeurteilung von Bedeutung. Die Analyse dieser Verbindungen bietet Hohenstein bereits an.
Der letzte Teil der ISO 18562 „Beurteilung der Biokompatibilität der Atemgaswege bei medizinischen Anwendungen – Teil 4: Prüfungen für herauslösbare Substanzen in Kondensaten“ behandelt Kondensate, die bei gasführenden Medizinprodukten und deren Komponentenmaterialien durch die Atmung entstehen können. Diese Kondensate können aus den Materialien Substanzen herauslösen, welche in der Folge wiederum vom Patienten über die Atemwege aufgenommen werden. Hierbei werden teilweise andere Substanzen aus den Materialien extrahiert, als es luftgetragen der Fall wäre. Die Prüfung des Kondensats wird in der Norm in unterschiedliche biologische und chemische Teil-Prüfungen gegliedert:
- Zytotoxizität nach DIN EN ISO 10993-5
- Sensibilisierung nach DIN EN ISO 10993-10
- Irritation nach DIN EN ISO 10993-23
- Organische Rückstände und
- Schwermetallanalyse
Die bereits aus der ISO 10993 Normenreihe bekannten Prüfungen werden entsprechend der Zielstellung der ISO 18562 angepasst, z. B. durch die Wahl der Extraktionsmedien und bei den Grenzwerten.
Welche Änderungen gibt es zwischen der Versionen 2017 und 2024?
Erstmals wurde die Normenreihe ISO 18562 im Jahr 2017 publiziert. Wenn auch noch nicht so etabliert wie die ISO 10993-1 Reihe, so stellt sie doch einen weiteren, wichtigen Baustein für die biologische Bewertung von Medizinprodukten dar. Wer jedoch bereits Tests nach der ISO 18562-Reihe 2017 durchgeführt hat, stellt sich nun womöglich die Frage, welche Änderungen es zum Ausgabestand 2024 gegeben hat. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:
In der aktualisierten Norm wurden mehrere neue Begriffe eingeführt und Grenzwerte verschoben. Die verschiedenen Patientenpopulationen wurden überarbeitet und genauer definiert, dies umfasst Daten für die Körpergewichte sowie die Standard-Atemvolumen. Aufgrund der neuen Begriffe und Definitionen könnten Geräte und Zubehör, die bisher unter die Kategorie begrenzte und längere Exposition fallen, nun unter die Definition der dauerhaften Exposition fallen, sodass sich hier auch die Anforderungen an die Prüfungen ändern können. Diverse Änderungen beschäftigen sich mit der toxikologischen Risikobewertung, dabei geht es vor allem um die Festlegung von TTC-Werten und die Einführung der Inhalationsdosis. Auch die Life Cycle Analyse tritt mehr in den Fokus. Jedoch ist hier noch nicht klar, ob dies mit Hilfe der Prüfungen oder anhand klinischer Daten betrachtet werden soll.
Neben den bekannten Medizinprodukten, die über die Atemgaswege mit Patienten in Kontakt kommen und bisher schon mit Hilfe der ISO 18562 bewertet werden mussten, fällt nun auch persönliche Schutzausrüstung (Atemschutzmasken) in den Anwendungsbereich der Norm. Die Partikelprüfung nach ISO 18562-2 muss nun Partikel erst ab einer Größe von 0,25 µm betrachten (vorher: 0,2 µm). Die jeweiligen Grenzwerte für Partikelfreisetzung bleiben gleich.
Der Terminus „VOS“ wurde als Oberbegriff für alle volatilen organischen Substanzen eingeführt. Die vorgesehene Testung nach ISO 18562-3 umfasst nun sehr flüchtige (VVOC), flüchtige (VOC) und halbflüchtige (SVOC) organische Verbindungen (zuvor: VVOC und SVOC nur bei spezieller Anforderung der Behörde). Zusätzlich wurden in der 18562-4 die Begriffe orale Aufnahme und über die Lunge exponierte Chemikalien genauer definiert, was mehr Klarheit für die toxikologische Bewertung schafft. Auch wurde die Testung des Kondensates nach ISO 18562-4 an die Chemische Charakterisierung nach ISO 10993-18 angeglichen, zum Beispiel durch die Erwähnung der analytischen Beurteilungsschwelle (Analytical Evaluation Threshold, AET). Das maximale Kondensatvolumen, welches den Patienten erreichen kann, sollte nun bestimmt werden. Für die in Frage kommenden Testungen am Kondensat wurde ein weiterer Endpunkt, die Irritationsprüfung, neu hinzugefügt. Diese Prüfung kann nach DIN EN ISO 10993-23 erfolgen.
Die meisten Änderungen an der ISO 18562 Normenreihe aus 2024 haben direkte Auswirkungen auf den Biologischen Evaluierungsplan (BEP) und zeigen einmal mehr dessen Wichtigkeit für eine qualitativ hochwertige Biokompatibilitätsbewertung.
Die Umsetzung der biologischen Bewertung von Medizinprodukten ist ein mehrteiliges Verfahren, das sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt. Dies umfasst meist Materialcharakterisierung, Literaturrecherche, unter Umständen aber auch die anwendungsbezogene Testung. Wie Sie all diese Aspekte effizient und effektiv zusammenstellen, planen und erarbeiten wir gerne mit Ihnen. Wenden Sie sich an das seleon Consulting und unsere Partner von Hohenstein Medical.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.