Endlich, nach langen Monaten und Jahren der Diskussion hat die EU eingelenkt und die Anwendbarkeit der eIFU-Verordnung (EU) 2021/2226 auf eine Vielzahl an Medizinprodukten erweitert. Möglich macht es die im Juni verabschiedete Änderungsverordnung (EU) 2025/1234, die Mitte Juli in Kraft getreten ist. Auch für Hersteller, die nicht in den geänderten Anwendungsbereich fallen, gibt es relevante Neuerungen.
Die regulatorischen Festlegungen der nun geänderten (EU) 2021/2226
Im Anhang I der MDR wird Herstellern von Medizinprodukten die Möglichkeit eröffnet unter definierten Umständen eine elektronische Gebrauchsanweisung anstelle einer IFU im Papierformat bereitzustellen. Diese Grundlegende Anforderung 23.1 f) stellt seit Anbeginn Bezug zur Verordnung (EU) Nr. 207/2012 her. Seit 2021 gibt es jedoch deren Nachfolgeverordnung (EU) 2021/2226, welche sich jedoch inhaltlich nicht groß von ihrem Vorläufer unterschieden hatte. Nach intensiven Umfragen der EU-Kommission insbesondere auf Seiten der Benutzer (ehemals als Anwender bekannt), hat sich die EU-Kommission jedoch für eine Anpassung der Verordnung bemüht (siehe Erwägungsgrund 2 der (EU) 2025/1234). Auch auf Seiten der Hersteller und Interessenverbände hatte es in den vergangenen Jahren verschiedene Aktivitäten und Initiativen gegeben, um die Politik hier zum Einzulenken zu bewegen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, angefangen von Sprachvarianten für alle 24 Amtssprachen, über Nachhaltigkeitsaspekte bis hin zur allgemeinen Nachfrage durch Kunden. Dem wurde nun also mit der Änderungsverordnung Rechnung getragen, welche fast alle Artikel ändert.
Von der Verordnung erfasste Produkte und Benutzer
Bislang war es nur für bestimmte Produkte möglich, eine elektronische Gebrauchsanweisung bereitzustellen. Dies war beschränkt auf implantierbare (aktive) Produkte, festinstallierte Produkte sowie Produkte mit einer eingebauten Anzeige.
Mit der Änderung wird diese Beschränkung aufgehoben und es darf an sich eine eIFU für jegliche Arten von Produkten genutzt werden, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Benutzer ein „professional user“ ist.
Der „professional user“ / „professionelle Nutzer“ wird dabei im Artikel 2 der eIFU-Verordnung künftig wie folgt definiert:
„professionelle Nutzer“ bezeichnet Personen, die die Produkte in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Rahmen einer professionellen Gesundheitsdienstleistung nutzen;
Diese Definition ist wichtig und sollte eindeutig von der eines Laien unterschieden werden (MDR, Artikel 2(38):
„Laie“ bezeichnet eine Person, die nicht über eine formale Ausbildung in dem einschlägigen Bereich des Gesundheitswesens oder dem medizinischen Fachgebiet verfügt;
Wichtig ist, dass auch ein geschulter Laie, zum Beispiel pflegende Angehörige, keine professionellen Nutzer sind. (Schulung und Ausbildung sollten hier nicht verwechselt werden!) Sie bleiben Laien und sollen auch in Zukunft eine papierbasierte Gebrauchsanweisung erhalten.
MDR Artikel 2(37): „Anwender“ bezeichnet jeden Angehörigen der Gesundheitsberufe oder Laien, der ein Medizinprodukt anwendet;
Ist ein Produkt für beide Nutzergruppen vorgesehen bzw. erhält jede Gruppe jeweils gesonderte Informationen zu einem Produkt, so darf der Informationsteil, der sich an den professionellen Nutzer wendet, rein elektronisch bereitgestellt werden. Der Teil, der sich jedoch an den Laien als Nutzer wendet, muss weiterhin papierbasiert bereitgestellt werden. Dies sieht der künftige Artikel 3 vor:
(2) Wird ein für die Verwendung durch professionelle Nutzer bestimmtes Produkt nach vernünftigem Ermessen auch von Laien verwendet, so stellen die Hersteller die für Laien bestimmte Gebrauchsanweisung in Papierform bereit.
Daher ist die Festlegung der „Nutzer“/“Anwender“ aus vielerlei Sicht ein wichtiger Aspekt. Zur Gebrauchstauglichkeit, klinischen Bewertung und Risikomanagement kommt die Gebrauchsanweisung als weiterer beeinflusster Bereich hinzu.
Ferner werden nun auch Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung von der e-IFU Verordnung erfasst, die vorher vom Geltungsbereich ausgenommen waren.
Was gilt es bei der Einführung der eIFU zu beachten?
Als zentrales Element hat eine Risikobewertung stattzufinden, getreu dem omnipräsenten risikobasierten Ansatz verknüpft mit der Post-Market Surveillance. Dabei sind die Kenntnisse der professionellen Nutzer zu berücksichtigen (auch der professional user ist keine homogene Gruppe!). Aber auch Risiken in Bezug auf die digitale Bereitstellung oder die Bereitstellung neuer Versionen sind zu bewerten. Das Minimum an zu bedenkenden Risiken ist bereits in Artikel 4 aufbereitet.
Die Umsetzung der eIFU muss nicht nur risikobasiert betrachtet werden, sondern ist auch von ihrer Funktionsfähigkeit her zu verifizieren und validieren, mögliche Einflüsse auf Hardware und Software bei elektronisch integrierten IFUs nicht zu vergessen.
Ferner sind ausgewählte Informationen (medizinische Notfälle, Einschalten von Geräten mit integriertem Display) weiterhin in Papierform bereitzustellen. Außerdem muss auf dem Etikett deutlich erkennbar sein, dass dem Produkt eine elektronische Gebrauchsanweisung beiliegt. Der Nutzer muss darüber hinaus leicht erkennen können, wie er den Hersteller kontaktieren kann, falls er eine gedruckte Version anfordern möchte. Die Gebrauchsanweisung muss in einem üblichen, kostenfreien Format bereitgestellt werden. Zusätzliche Informationen, die beispielsweise in Videos bereitgestellt werden, dürfen dabei keine Inhalte aus der IFU ersetzen. Diese muss für sich allein alle relevanten Informationen in Textform enthalten.
Zeitgleich zu den Formatvorgaben müssen die Hersteller auch die Datensicherheit der Gebrauchsanweisung und den Datenschutz der Nutzer berücksichtigen.
Die Einführung von eIFU erfordert außerdem eine Anpassung des Qualitätsmanagementsystems. Die entsprechenden Prozesse müssen dokumentiert und durch die benannte Stelle gesichtet werden. Im Gegenzug entfällt durch die Änderungsverordnung die Pflicht, die Konformität der eIFU von der benannten Stelle prüfen zu lassen.
Verfügbarkeit und Aufbewahrungsfristen
Ähnlich zu den Aufbewahrungsfristen nach Artikel 10(8) der MDR, unter welche die eIFU als Teil der Technischen Dokumentation ebenfalls fällt, gilt nach der eIFU-Verordnung ebenfalls eine Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren. Dies trifft jedoch nur auf Produkte mit einer definierten Lebensdauer zu. Weist ein Produkt keine definierte Lebensdauer aus oder ist implantierbar, so ist die eIFU für mindestens 15 Jahres nach dem letzten in Verkehr gebrachten Produkt, aufzubewahren.
Eine Erleichterung hält die geänderte eIFU-Verordnung an dieser Stelle jedoch bereit: es müssen nicht mehr alle Versionen, die es in der Historie der jeweiligen Gebrauchsanweisung gegeben hat, jederzeit auf der Website verfügbar sein. Auf Anfrage müssen sie jedoch bereitgestellt werden.
Selbiges gilt für Papierversionen: Auf Anfrage eines Nutzers muss der Hersteller binnen 7 Tagen (nicht Arbeitstage, sondern Kalendertage!) eine kostenfreie Papierversion der Gebrauchsanweisung bereitstellen können. Dies mag für Kunden in Deutschland noch ohne weiteres machbar sein, muss die Gebrauchsanweisung jedoch beispielhaft bis nach Bulgarien oder ein anderes EU-Land mit hoher Entfernung reisen, so kann dies durchaus Risiken bzgl. der fristgerechten Zustellung bergen.
Hier sei noch angemerkt, dass dies für alle Sprachversionen der Gebrauchsanweisung gilt – e-Version wie Papierversion – daher ist die Festlegung der Zielländer eines Produktes ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Definition des Produktes und seiner Varianten sowie die UDI-Vergabe geht. Künftig ist die entsprechende Internetadresse, über die die eIFU abgerufen werden kann, dann auch in der EUDAMED Datenbank zu pflegen.
Sprich: die aktuelle Gebrauchsanweisung muss im Falle einer eIFU in allen relevanten Sprachen der EU-Zielländer auf der Homepage verfügbar sein, auf Anfrage in Papierform bereitgestellt werden können und alle alten Versionen müssen in allen relevanten Sprachen für mind. 10 Jahre aufbewahrt werden. EUDAMED Update bei Änderungen nicht vergessen!

Wenn die IFU parallel auf dem Papier und elektronisch existiert
Für Hersteller, die bislang nicht unter die eIFU-Verordnung gefallen sind, aber trotzdem schon elektronische Gebrauchsanweisungen bereitgestellt haben, hatte die bisherige Version der Verordnung 2021/2226 kaum Erleichterungen gebracht. Nun, durch die Änderung via (EU) 2025/1234 wird es jedoch deutlich einfacher gemacht, dem Nutzer diesen Komfort zu bieten.
Künftig lautet der entsprechende Artikel 9 bzw. 8 nur noch:
Elektronische Gebrauchsanweisungen, die zusätzlich zu vollständigen Gebrauchsanweisungen in Papierform zur Verfügung gestellt werden, müssen dem Inhalt der Gebrauchsanweisungen in Papierform entsprechen.
Dies erleichtert vielen Herstellern auch die Umsetzung der noch immer sehr unklaren, verklausulierten Anforderung aus GSPR 23.1 der MDR:
Jedem Produkt werden die notwendigen Angaben beigefügt, die die Identifizierung des Produkts und des Herstellers ermöglichen, sowie alle für den Anwender oder gegebenenfalls dritte Personen relevanten Informationen über die Sicherheit und Leistung des Produkts. Diese Angaben können auf dem Produkt selbst, auf der Verpackung oder in der Gebrauchsanweisung angebracht sein und werden — falls der Hersteller über eine Website verfügt — dort bereitgestellt und aktualisiert […].
Wenn Sie nun also frohen Mutes an die eIFU ran möchten, dann definieren Sie den Nutzer des Produkts, seine Lebensdauer, die Zielländer für das Produkt und seine Varianten, analysieren die damit verbundenen Risiken, verifizieren und validieren, stellen die Cybersecurity und die DSGVO sicher und … oder wenn es doch nicht so einfach klingt, dann kontaktieren Sie uns. Die Experten der seleon GmbH stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.




