Der seit Mai 2022 anwendbare Leitfaden, MDCG 2022-8 „Regulation (EU) 2017/746 – application of IVDR requirements to ‘legacy devices’ and to devices placed on the market prior to 26 May 2022 in accordance with Directive 98/79/EC“, zeigt Handlungsempfehlungen auf, die es erleichtern, die Anwendbarkeit der Anforderungen der IVDR auf sogenannte “legacy devices” besser einordnen zu können. Der Leitfaden ist auch für „old devices“ relevant.

Wichtige Definitionen für IVD Produkte während der Übergangsphasen

Unter dem Begriff „legacy devices“, gemäß dem 2. und 3. Unterparagrafen des Artikels 110(3) der IVDR, werden Produkte subsummiert, die

  • nach dem 22. Mai 2022 in den Markt gebracht oder in Betrieb genommen wurden und
  • bis zum Ende der entsprechenden Übergangsphase keine wesentlichen Veränderungen hinsichtlich Auslegung und Zweckbestimmung gemäß des 1. Unterparagrafen des Artikels 110(3) der IVDR durchlaufen haben
  • und die
    • entweder ein von einer benannten Stelle ausgestelltes IVDD-Zertifikat aufweisen
    • oder für die eine Selbsterklärung gemäß der IVDD abgegeben wurde, aber gemäß der IVDR die Mitwirkung einer Benannte Stelle benötigen

Die Gruppe der “old devices” umfasst jene in-vitro Diagnostika, die

  • vor dem 22. Mai 2022 in Übereinstimmung mit den Vorgaben der IVDD (Richtlinie 98/79/EG) oder entsprechenden nationalen Bestimmungen in den Markt gebracht oder in Dienst gestellt wurden, bevor die IVDD in Kraft getreten ist (also vor dem 27. Oktober 1998)

und welche nach dem 26. Mai 2022 noch am Markt oder in Gebrauch sind.

Die Übergangsfristen von IVDD zu IVDR

Ein wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt, sind die jeweiligen Übergangsfristen, die im Folgenden kurz dargestellt werden:

  • Die Übergangsfrist mit Ende am Mai 2025 gilt für alle Produkte, die
    • ein gültiges CE Zertifikat besitzen, das in Übereinstimmung mit den Vorgaben der IVDD vor dem 26. Mai 2022 ausgestellt wurde
    • Produkte der Klasse D (nach den Vorgaben der IVDR) mit einer Konformitätserklärung nach IVDD, ausgestellt vor dem 26. Mai 2022, die erstmals die Einbeziehung einer benannten Stelle zur Konformitätsbewertung erfordern
  • Die Übergangsfrist mit Ende am Mai 2026 gilt für folgende Produkte:
    • Produkte der Klasse C (nach den Vorgaben der IVDR) mit einer Konformitätserklärung nach IVDD, ausgestellt vor dem 26. Mai 2022, die erstmals die Einbeziehung einer benannten Stelle zur Konformitätsbewertung erfordern
  • Die Übergangsfrist mit Ende am Mai 2027 gilt für folgende Produkte:
    • Produkte der Klassen B und A steril (nach den Vorgaben der IVDR) mit einer Konformitätserklärung nach IVDD, ausgestellt vor dem 26. Mai 2022, die erstmals die Einbeziehung einer benannten Stelle zur Konformitätsbewertung erfordern, gilt die genannte Übergangsfrist;

Gemäß der angenommenen Änderungsverordnung (EU) 2023/607 gibt es keine Abverkaufsfristen mehr für konforme Produkte. Alle InVitro Diagnostika, die bis zum 26. Mai 2022 nach IVDD in Verkehr gebracht wurden so wie alle Produkte, die gemäß den jeweils geltenden Zeitpunkten, bis zu denen IVDs noch nach der 98/79/EG in Verkehr gebracht werden dürfen, können ohne Fristvorgabe abverkauft werden. Aber: natürlich ist der vom Hersteller definierte Produktlebenszyklus / das Shelf Life hierbei zu beachten.

Post-Market Surveillance nach IVDR für Legacy Devices

Ein weiterer Punkt, den es im Hinblick auf die Anforderungen der IVDR bei „legacy devices“ zu beachten gilt, sind die Vorgaben zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen („Post Market Surveillance“), Marktüberwachung sowie Vigilanz. Hierbei sind die Artikel 78 und 79 IVDR zu beachten (Implementierung eines adäquaten PMS Systems sowie Aufsetzen eines entsprechenden PMS Plans), die Vorgaben aus Artikel 78(3), Punkt (d), IVDR sind hiervon ausgenommen.

Die Bestimmungen aus Anhang XIII, Teil B der IVDR zur „Nachbeobachtung der Leistung nach dem Inverkehrbringen“ (PMPF, Post Market Performance Follow-Up) sind hingegen vollumfänglich auch für „legacy devices“ anzuwenden, eine rückwirkende Bereitstellung eines PMPF Berichts ist allerdings nicht gefordert.

Ebenso finden die Artikel 82 bis 84 bezogen auf Vigilanz und speziell der Umgang mit Meldung von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld (Artikel 82), Meldungen von Trends (Artikel 83) und die Analyse schwerwiegender Vorkommnisse und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld (Artikel 84) vollumfänglich Anwendung bei „legacy devices“.

Da die IVDD keinerlei Vorgaben zur Klassifizierung von IVD Produkten bereit gestellt hat, fällt eine Abgrenzung im Hinblick auf die Unterteilung der anzufertigenden Berichte im Rahmen der Überwachung nach dem Inverkehrbringen für „legacy devices“ schwer; somit wurde die Festlegung getroffen, dass für IVD „legacy devices“ aller Klassen als Minimalanforderung ein PMS Bericht nach Artikel 80 IVDR anzufertigen ist, die Erstellung eines regelmäßig aktualisierten Berichts über die Sicherheit (PSUR Periodic Safety Update Report) ist den Herstellern von IVD „legacy devices“ der Risikoklassen C und D frei gestellt.

Was gibt es noch für Legacy Devices zu beachten?

Grundsätzlich sind für “Legacy Devices“ alle in Verbindung mit dem Konformitätsbewertungsverfahren nach IVD Richtlinie 98/79/EG vorgegebenen Anforderungen weiterhin einzuhalten sowie der Umstand zu erfüllen, dass sich hinsichtlich der Auslegung und Zweckbestimmung keine wesentlichen Veränderungen ergeben haben, um die ursprüngliche CE-Kennzeichnung weiterhin führen zu können. Neben den darüber hinaus gehenden, von der IVDR geforderten Aspekte an die bereits genannten Bereiche

Überwachung nach dem Inverkehrbringen (Post Market Surveillance),

Marktüberwachung und

Vigilanz

Sind auch die Anforderungen an die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten zu erfüllen. In besonderer Weise sei hier auf die erweiterten Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure hingewiesen namentlich:

  • Artikel 10 – Allgemein Pflichten der Hersteller
  • Artikel 11 – Bevollmächtigter
  • Artikel 13 – Allgemeine Pflichten der Importeure
  • Artikel 14 – Allgemeine Pflichten der Händler.

IVDR Vorgaben außerhalb der oben genannten Themenbereiche sind in der Regel für die Wirtschaftakteure bezogen auf „legacy devices“ nicht anzuwenden, eine freiwillige Selbstverpflichtung, insbesondere wenn sich sowohl „legacy devices“ als auch IVDR Produkte im Portfolio befinden, ist selbstverständlich zulässig.

Mit Blick auf die Verantwortliche Person nach Artikel 15 ist dies besonders spannend. So wird die Ernennung einer verantwortlichen Person im Anhang der MDCG 2022-8 für Legacy Devices als nicht erforderlich aufgeführt. Artikel 94 (4) Unterabsatz 2 sieht jedoch eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn ein Hersteller nach Definition der IVDR keine verantwortliche Person vorhält. Nun ließen sich Definitionen in den Ring werfen und Fragestellungen über das ehemals gültige MPG stellen, jedoch handelt es sich bei dieser Konstellation um eine recht theoretische, da die meisten Hersteller vermutlich einen Teil ihres Portfolios auch in Zukunft nach IVDR in Verkehr bringen werden und somit ohnehin eine PRRC benennen müssen.

PMS und andere Pflichten für Old Devices

Eine abschließende Anmerkung zum Umgang mit den zuvor beschriebenen „old devices“:

grundsätzlich sind die Anforderungen der IVDR für diese Produkte nicht anzuwenden und umzusetzen. Aber auch Hersteller von „old devices“ müssen Marktüberwachung durchführen, die von den benannten Stellen nachzuverfolgen ist. Die Artikel 88 bis 95 der IVDR beschäftigen sich mit den Rechten und Pflichten der benannten Stellen hinsichtlich Marktüberwachung. Hierbei liegen insbesondere das Berichtswesen und die Analyse von schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld im Fokus, um auch für „old devices“ eine sichere Anwendung über den gesamten Produktlebenszyklus zu gewährleisten, sowie nicht-konforme Produkte rechtzeitig zu identifizieren (Artikel 82 und 84 der IVDR).

MDCG Guidance Aufstellung zu Legacy Devices

Eine (nichterschöpfende) Auflistung der wichtigsten Anforderungen der IVDR und ihre jeweilige Anwendbarkeit oder auch Nicht-Anwendbarkeit für „legacy devices“ findet sich im Anhang des MDCG-Guidance-Dokuments. Keine Anwendung finden zum Beispiel die Anforderungen an den UDI.

Bei der praktischen Umsetzung der Anforderungen der IVDR und bezogen auf diese Empfehlungen ist der Anhang für Hersteller von „legacy devices“ eine dringende Empfehlung. Die seleon GmbH unterstützt Sie gerne bei der Bewertung Ihrer etablierten Medizinprodukte und deren klinischen Daten. Damit Altbewährtes auch in der Zukunft einen Platz hat.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.