Der Geltungsbeginn der europäischen Medizinprodukteverordnung wurde im Zuge der Corona-Krise um ein Jahr in den Mai 2021 verschoben (lesen Sie mehr in unserem Beitrag), dies hat sich bereits herumgesprochen. Die zugehörige nationale Gesetzgebung – zusammengefasst im Medizinprodukteanpassungsgesetz (MPEUAnpG) – wurde inzwischen verabschiedet, im Amtsblatt veröffentlicht und ist in Teilen bereits seit Mai 2020 anwendbar. Richtig los geht es aber auch hier erst im Mai 2021. Welche Änderungen genau bringt nun das MPEUAnpG? Eines können wir Ihnen direkt verraten – kürzer wird es nicht unbedingt.

Die wohl wichtigste Änderung, die durch das MPEUAnpG eingeführt wird, ist die Ablösung des bislang vertrauten MPGs durch das neue Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG). Es regelt vergleichbare Themen wie das MPG, ist jedoch nicht wie bislang eine deutsche Umsetzung der europäischen Vorgaben, sondern vielmehr zusätzlich zur MDR 2017/745 zu lesen. So werden wichtige Aspekte der MDR wie z. B. die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen oder der Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen nicht erneut aufgeführt. Nationale Vorgaben, die über die europäischen der MDR hinausgehen, umfassen beispielsweise Aspekte wie den Medizinprodukteberater oder erweiterte Anforderungen an klinische Prüfungen. Auch erhalten zuständige Behörden erweiterte Verantwortung, und der Katalog der mit Freiheitsstrafen belegten Handlungen sowie der Busgeldkatalog sind umfangreicher geworden. Nicht zuletzt müssen sich auch Betriebe, in denen Medizinprodukte aufbereitet/sterilisiert werden, bei den Behörden registrieren.

Obwohl das MPDG überwiegend ergänzend zur MDR zu lesen ist, umfasst es trotzdem doppelt so viele Paragrafen wie das MPG. Aus den ehemals 44 Artikeln in neun Abschnitten sind im MPDG aktuell 99 Artikel, aufgeteilt auf zehn Kapitel geworden. Diese Kapitel umfassen:

  1. Zweck, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

  2. Anzeigepflichten, Inverkehrbringen und Inbetriebnahme von Produkten sowie deren Bereitstellung auf dem Markt, sonstige Bestimmungen

  3. Benannte Stellen, Prüflaboratorien, Konformitätsbewertungsstellen für Drittstaaten

  4. Klinische Prüfungen und sonstige klinische Prüfungen

  5. Vigilanz und Überwachung

  6. Medizinprodukteberater

  7. Zuständige Behörden, Verordnungsermächtigungen, sonstige Bestimmungen

  8. Sondervorschriften für den Bereich der Bundeswehr sowie den Zivil- und Katastrophenschutz

  9. Straf- und Bußgeldvorschriften

  10. Übergangsbestimmungen

Der Medizinprodukteberater nach MPDG

Liest man § 83 des neuen Gesetzes, so wähnt man sich kurz im ehemaligen § 31 des MPG zum Medizinprodukteberater. Die Absätze 1 bis 3 sind im Wortlaut absolut identisch mit den bisherigen Vorgaben zum Medizinprodukteberater. Lediglich die Qualifikationsmöglichkeiten des Beraters wurden ausgeweitet und ermöglichen nun auch den Nachweis basierend auf einer „IT-kaufmännischen Ausbildung“.

Absatz 4 wurde jedoch dahin gehend geändert, an wen sich der Medizinprodukteberater im Falle von Nebenwirkungen, wechselseitigen Beeinflussungen, Fehlfunktionen, technischen Mängeln, Gegenanzeigen oder sonstigen Risiken wenden muss, nämlich namentlich an den Hersteller, seinen Bevollmächtigten, falls vorhanden, den Importeur oder deren für die Einhaltung der Regelungsvorschriften verantwortliche Person.

Somit gibt es zumindest im Bereich des Medizinprodukteberaters keine großen Veränderungen, dennoch sollten diese natürlich zeitnah auf die neue Gesetzgebung geschult werden.

Das DMIDS beim BfArM – dafür kein DIMDI mehr

Wie bereits im Sommer 2019 angekündigt, wurden das BfArM und wesentliche Funktionseinheiten des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zum 26. Mai 2020 zusammengelegt. Den meisten Medizinprodukteherstellern ist insbesondere die DIMDI-Meldung ihrer Produkte ein Begriff, doch diese wird in Zukunft wohl eher als „DMIDS-Meldung“ geläufig sein: Gemäß § 86 des MPDG wird es ein „Deutsches Medizinprodukteinformations- und Datenbanksystem“ – kurz DMIDS geben –, über das dann u. a. die relevanten Daten für die EUDAMED-Datenbank übermittelt werden sowie die weitere Kommunikation zwischen den Wirtschaftsakteuren und den zuständigen deutschen Behörden stattfindet. Ziel ist es, dieses neue Datenbanksystem zum 31. Dezember 2022 bereitzustellen. Aktuell erfolgen die Meldungen noch weiterhin wie gewohnt über das DIMDI-Portal.

Die Stellung der Ethikkommission im Rahmen eines Antrags auf klinische Prüfung

Bei der Antragstellung von klinischen Prüfungen ist in Zukunft zu beachten, dass die Ethikkommission und das BfArM nicht mehr gleichzeitig aktiv werden können, sondern die Anträge nacheinander gestellt werden müssen. So muss zunächst der Antrag bei der Ethikkommission erfolgen und abgeschlossen sein, und erst danach kann der Antrag an das BfArm mit den vollständigen Unterlagen gemäß Anhang XV Kapitel II der MDR erfolgen. Ein Nachreichen der Stellungnahme der Ethikkommission ist, wie bislang erlaubt, somit nicht mehr möglich.

Auch wurden die Anforderungen an die Ethikkommissionen selbst erhöht. § 32 des MPDG führt beispielsweise die Zusammensetzung und notwendige Qualifikation der Mitglieder auf und nennt darüber hinaus Anforderungen an die Satzung oder Geschäftsordnung einer jeden Ethikkommission. 

Auch ist zu beachten, dass jegliche Genehmigungsanträge eines Sponsors an eine Ethikkommission in Zukunft über das DMIDS laufen müssen.

Weitere Auswirkungen des MPEUAnpGs auf bestehende Gesetzgebung:

Neben der Ablösung des MPGs durch das MPDG führt das Medizinprodukteanpassungsgesetz auch noch zu Änderungen in weiteren Gesetzen. So sind neben den naheliegenden Gesetzen wie dem Heilmittelwerbegesetz und dem Produktsicherheitsgesetz auch noch das Arzneimittelgesetz, das Sozialgesetzbuch (5. Buch), das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, das Elektro- und Elektronikgerätegesetz, das Chemikaliengesetz und das Gesetz zur Aktualisierung der Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes betroffen. Einige Änderungen, wie die der Medizinproduktsicherheitsplanverordnung, decken überwiegend die Auflösung des DIMDI und die neue Verantwortlichkeit durch das BfArM ab.

Nach aktuellem Stand bleibt die Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) im Rahmen des MPDGs bestehen.

Inkrafttreten des MPDG bzw. des MPEUAnpG

Laut dem im Amtsblatt veröffentlichten Gesetz wären das MPDG bzw. einige Teile und andere Änderungen des MPEUAnpG bereits in Kraft getreten. Im Rahmen des „Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vom 19. Mai 2020 kam es jedoch zur Verschiebung, die sich im Detail wie folgt darstellt:

Rückwirkend seit dem 24. April 2020 bereits in Kraft:

  • § 7 des MPDG „Sonderzulassung, Verordnungsermächtigung“

  • § 90 Absatz 3 des MPDG „Sondervorschriften für den Bereich der Bundeswehr und den Zivil- und Katastrophenschutz – Anwendung und Vollzug des Gesetzes, Zuständigkeiten – Erteilung einer Sonderzulassung“

Seit dem 23. Mai 2020 in Kraft: 

  • § 87 des MPDG „Gebühren und Auslagen; Verordnungsermächtigungen“

  • Änderungen der § 71, §127 und §139 des fünften Sozialgesetzbuches 

Seit dem 26. Mai 2020 in Kraft:

  • Artikel 4b des MPEUAnpG „Änderung des BGA-Nachfolgegesetzes“

  • Artikel 11a des MPEUAnpG „Änderung der Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung“

  • Artikel 11b des MPEUAnpG „Änderung der Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten“

  • Artikel 12a ausschließlich Nummer 6 „Änderung des Implantateregistergesetzes“

  • Artikel 16a Nummer 1 bis 8, mit Ausnahme in Nummer 3 „Weitere Änderungen aus Anlass der Auflösung des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information“

Weite Teile der in Kraft getretenen Änderungen beziehen sich auf die geänderte Verantwortung und daher notwendige Anpassung der Verantwortlichkeit des BfArMs anstelle des DIMDI in bestehender Gesetzgebung.

Ab dem 1. Oktober 2020 in Kraft:

  • Änderung des § 127 des fünften Sozialgesetzbuches

Ab dem 26. Mai 2021 in Kraft:

  • Das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz 

Ab dem 1. Oktober 2021 in Kraft:

  • Artikel 2 „Änderung des Medizinprodukterechtdurchführungsgesetztes“ – Aufhebung des § 87

Ab dem 26. Mai 2022 in Kraft:

  • Artikel 3 des MPEUAnpG „Weitere Änderungen des Medizinprodukterechtdurchführungsgesetzes“ – Ergänzung um die Aspekte gemäß IVDR EU 2017/746

Mit dieser Erweiterung um die IVD-Produkte treten ebenfalls zum 26. Mai 2022 die      Artikel 6, 8, 10, 10c, 12, 14 und 16 des MPEUAnpG in Kraft, um diese mit abzudecken.

Ihnen sind die Vorgaben des MPDGs noch nicht geläufig? Sie möchten Ihre Medizinprodukteberater auch in Zukunft zuverlässig einsetzen? Ihr Sicherheitsbeauftragter soll in Zukunft auch die Rolle der Verantwortlichen Person übernehmen? Gerne erstellen wir, die seleon GmbH, für Sie eine Ihrer Situation angepasste individuelle Analyse der Änderungsauswirkungen und finden mit Ihnen gemeinsam heraus, welche Gesetzesänderung für Sie wann relevant wird. 

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.

Aufgrund der sich schnell verändernden Lage im Rahmen der Covid-19-Pandemie kann es kurzfristig zu veränderten gesetzlichen oder regulatorischen Vorgaben kommen, die wir nicht tagesaktuell abbilden können.