Der regelmäßige Griff oder Blick zum Smartphone zeigt es: Ohne digitale Apps geht fast nichts mehr. Und das betrifft nicht nur junge Leute. Die derzeit angespannte Lage aufgrund der Pandemiesituation bringt die Vorteile digitaler Innovation im Medizinbereich zum Vorschein. Ein Arztbesuch erübrigt sich, weil man per Smartphone oder PC mit dem Medizinier sprechen kann; Gesundheits-Apps auf dem Smartphone sammeln gesundheitsrelevante Daten, werten sie aus und leiten sie zur weiteren Behandlung an den Arzt weiter. Die digitalen Geräte sind Motivator, Auswerter und Hinweisgeber in einem. Sie ersetzen nicht die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten, aber sie erleichtern sie, sparen Zeit, Wege und Kosten, kurz: Der digitale Wandel in der Medizin ist nicht mehr aufzuhalten.
Demnächst sollen sogar Ärzte Apps auf Rezept verschreiben können, die Kosten hierfür werden dann von den Krankenkassen übernommen.

Um die Digitalisierung in der Medizin zu stärken, wurden von der Bundesregierung einige neue gesetzliche Regelungen eingeführt:

Welche Änderungen bringen DVG und DiGAV für Medizinproduktehersteller mit sich?

  • Die Versicherten erhalten einen Leistungsanspruch auf Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA). Es wird ein neues Verfahren beim BfArM etabliert, in dessen Rahmen das BfArM die jeweilige DiGA auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz prüft. Im Anschluss wird die DiGA vorläufig für ein Jahr in einem entsprechenden Verzeichnis online gestellt, kann dann von Ärzten verschrieben und von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden. Der Hersteller hat ein Jahr lang Zeit, nachzuweisen, dass die DiGA die Versorgung der Patienten verbessert. Damit können Patienten die Gesundheits-Apps/-DiGA schneller und unbürokratischer nutzen. 

  • Krankenkassen können künftig bedarfsgerecht und patientenorientiert die Entwicklungdigitaler Innovationen fördern und dazu im Rahmen des Erwerbs von Investmentvermögen bis zu zwei Prozent ihrer Finanzreserven einsetzen, z. B. durch die gezielte Förderung einer Idee oder durch die Beteiligung an gesundheitsinnovativen Kapitalfonds. Der unter https://innovationsfonds.g-ba.de/ verfügbare Innovationsfonds wird fortgeführt und weiterentwickelt.

Die Krankenkassen dürfen Versicherte, die dies wünschen, über innovative Versorgungsangebote informieren.

  • Die IT-Sicherheit bei den niedergelassenen Ärzten wird gestärkt. Zertifizierte Dienstleiter können die Praxen bei der Umsetzung der IT-Sicherheitsstandards unterstützen. 

  • Vernetzung des Gesundheitswesens: Informationsaustausch zwischen den Versicherten und verschiedenen Leistungserbringern des Gesundheitswesens soll künftig leichter, schneller und auf Basis internationaler Standards stattfinden. 

  • Durch die DiGAV wird sichergestellt, dass qualitativ hochwertige DiGAs zügig in die Versorgung gelangen und so einen Mehrwert für die Versicherten generieren.

Das BfArM hat ein Fast-Track-Verfahren für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nach § 139e SGB V entwickelt, was als ein Leitfaden für Hersteller, Leistungserbringer und Anwender dienen soll.
Die Meilensteine der Umsetzung des Fast-Tracks-Verfahrens sehen wie folgt aus
(Quelle BfArM).

Welche medizinischen digitalen Anwendungen zählen zu DiGA?

Eine DiGA ist ein Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa (nach MDR oder, im Rahmen der Übergangsvorschriften, nach MDD), das folgende Eigenschaften besitzt:

  • Digitale Technologien bilden die Hauptfunktion der DiGA.

  • Die DiGA dient nicht nur dem Auslesen oder Steuern eines Geräts; der medizinische Zweck muss wesentlich durch die digitale Hauptfunktion erreicht werden.

  • Die DiGA unterstützt die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen.

  • Die DiGA dient nicht der Primärprävention.

  • Die DiGA wird von den Patienten oder vom Leistungserbringer und Patienten gemeinsam genutzt.

  • Anwendungen, die nur vom Arzt zur Behandlung der Patienten eingesetzt werden, sind keine DiGA.

Eine DiGA kann neben der Software auch Geräte, Sensoren (und andere Hardware wie beispielsweise Wearables) umfassen. Die Hauptfunktion muss überwiegend digital bleiben. Die Hardware muss für die Erreichung des Zwecks der DiGA notwendig sein und darf kein privat zu finanzierender Gegenstand des täglichen Lebens sein (z. B. eine Gymnastikmatte zur Umsetzung der DiGA-Übungen). Die DiGA kann aber bspw. über eine Standardschnittstelle Daten aus einer Smartwatch beziehen, wenn diese bei der Konformitätsbewertung berücksichtigt und positiv bewertet worden ist.

Die DiGA kann auch mit Dienstleistungen, die Beratung, Coaching oder privatärztliche Leistungen umfassen, kombiniert werden. Diese Dienstleistungen werden aber nicht durch die GKV erstattet. Der positive Versorgungseffekt einer DiGA muss ohne den Einsatz solcher Zusatzangebote nachgewiesen werden.

Der DiGA-Hersteller kann zusätzliche optionale Dienste und Funktionen anbieten (z. B. Verknüpfung mit einem sozialen Netzwerk, Terminbuchungen oder Apps-/Geräte-Anbindungen). Diese dürfen aber keinen medizinischen Zweck und keinen Einfluss auf die medizinische Zweckbestimmung haben, die positiven Versorgungseffekte nicht gefährden oder verändern, segregiert (abgesondert) sein und die DiGA auch im Fehlerfall nicht beeinträchtigen und müssen gesondert gekennzeichnet sein. Die Extrakosten übernimmt der Nutzer selbst.

Primärpräventive digitale Anwendungen können nicht in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden, weil sich Primärprävention an die allgemeine Bevölkerung richtet und der Verhinderung der Entstehung von Erkrankungen dient (also für die [noch] nicht kranke Bevölkerung). Eine DiGA, die die Verschlechterung eines Krankheitszustands verhindert oder Folgeerkrankungen vermeidet, wird hingegen unter dem Begriff „Behandlung“ zusammengefasst und gehört in das DiGA-Verzeichnis. Voraussetzung hierfür ist: Es liegt ein Risikofaktor im Sinne einer Erkrankung vor, die als Diagnose verschlüsselbar ist.

Wer ist antragsberechtigt?

Das Verfahren zur Aufnahme einer DiGA in das DiGA-Verzeichnis des BfArM wird auf Antrag des Herstellers des Medizinprodukts im Sinne jeweils geltender medizinprodukterechtlicher Vorschriften oder der Dritten im Namen des Herstellers mit dessen Vollmacht in schriftlicher oder elektronischer Form eingeleitet.

Was sind die Inhalte des Antrags?

§ 139e Absatz 2 Satz 2 des SGB V listet die Inhalte des Antrags auf. Zu diesen zählen Nachweise, dass die DiGA den Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit und Qualität des Medizinprodukts und an den Datenschutz entspricht, dass die Datensicherheit nach dem Stand der Technik gewährleistet ist und dass sie positive Versorgungseffekte aufweist. Zusätzlich muss der Hersteller viele weitere Angaben aufführen, die in § 2 der DiGAV aufgelistet sind, und die Anlagen 1 und 2 der DiGAV ausfüllen und dem Antrag beilegen.

Was sind die positiven Versorgungseffekte und wie werden diese nachgewiesen?

Positive Versorgungseffekte im Sinne der DiGAV sind entweder

  • ein medizinischer Nutzen, mit patientenrelevantem Effekt insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustands, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens oder einer Verbesserung des Lebensqualität; oder  

  • die patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen in der Versorgung im Rahmen der Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder der Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen auf eine Unterstützung des Gesundheitshandels der Patientinnen und Patienten oder eine Integration der Abläufe zwischen Patientinnen/Patienten und Leistungserbringern ausgerichtet. Sie umfassen insbesondere die Bereiche Koordination der Behandlungsabläufe, Erleichterung des Zugangs zur Versorgung, Patientensicherheit, Ausrichtung der Behandlung an Leitlinien und anerkannten Standards usw. (§ 8 DiGAV).

Der Antragsteller gibt den positiven nachzuweisenden Versorgungseffekt der DiGA und die Patientengruppe, für die der positive Versorgungseffekt nachgewiesen werden soll, an. Der vom DiGA-Hersteller postulierte positive Versorgungseffekt muss mit der Zweckbestimmung sowie mit den Funktionen, den Inhalten und den vom Hersteller veröffentlichten Aussagen zur DiGA konsistent sein.

Der Hersteller legt zum Nachweis der angegebenen positiven Versorgungseffekte eine vergleichende Studie, alternativ auch prospektive Vergleichsstudie oder quantitative, vergleichende Studien vor (§ 10 DiGAV). Der gewählte methodische Ansatz muss dem positiven nachzuweisenden Versorgungseffekt angemessen sein.

Die retrospektiven und prospektiven Vergleichsstudien müssen im Inland durchgeführt, in einem öffentlichen Studienregister registriert und binnen zwölf Monate nach Studienabschluss mit den Ergebnissen in vollem Umfang (auch negativen Ergebnisse) im Internet veröffentlicht worden sein (personenbezogene Daten, Betriebsgeheimnisse u. Ä. dürfen geschwärzt sein). Studienberichte müssen unter Einhaltung der maßgeblichen, international anerkannten Standards der Darstellung und Berichterstattung von Studien erstellt werden.

Wir zeigen Ihen hier, wie das Verfahren abläuft. (Quelle BfArM)

Das gesamte Antragsverfahren über die Aufnahme einer DiGA in das DiGA-Verzeichnis bei BfArM erfolgt ausschließlich über das Antragsportal beim BfArM (momentan noch nicht online, aber für Mitte September 2020 geplant).

Nach Durchlaufen einer formalen Prüfungder Dokumente auf Vollständigkeit und ggf. Nachforderungen durch das BfArm beginnt die eigentlich Prüfung des Antrags. Mit dem Beginn der Bearbeitungsfrist hat das BfArM maximal drei Monate Zeit für die Bewertung, um dem Antragsteller per Bescheid mitzuteilen, ob seine DiGA in das DiGA-Verzeichnis zur Erprobung oder endgültig aufgenommen oder ob der Antrag abgelehnt wird.

Wird eine DiGA vorläufig in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen, hat der Hersteller zwölf Monate Zeit (Erprobungsphase), die positiven Versorgungseffekte nachzuweisen. Der Hersteller kann auch einmalig die Erprobungsphase um bis zu zwölf Monate verlängern.

Das BfArM gibt nach dem Ablauf der Erprobungsphase innerhalb von drei Monaten einen Bescheid, ob die betroffene DiGA endgültig in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen wird. Wird die Aufnahme vom BfArM abgelehnt, wird die DiGA vom BfArM aus dem Verzeichnis gestrichen. Der Hersteller kann frühestens zwölf Monate nach dem ablehnenden Bescheid unter Vorlage neuer Nachweise für positiveVersorgungseffekte einen neuen Antrag stellen. Eine wiederholte vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis zur Erprobung ist nicht zulässig.

Der Hersteller ist verpflichtet, wesentliche Veränderungen an der DiGA nach der Aufnahme in das Verzeichnis beim BfArM anzuzeigen. Wenn sich die Informationen ändern, die öffentlich im Verzeichnis online zugänglich sind, ist der Hersteller ebenfalls verpflichtet, diese zu aktualisieren.

Bildliche Darstellung des Ablaufs (Quelle BfArM)

Welche Kosten kommen auf Antragsteller zu?

Details zu den zu entrichtenden Gebühren finden sich in § 139e des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Allgemein belaufen sich diese auf drei- bis vierstellige Beträge:

  • Endgültige Aufnahme einer DiGA: 3.000 bis 9.900 Euro.

  • Endgültige Aufnahme einer erprobten DiGA: 1.500 bis 6.600 Euro.

  • Verlängerung der Erprobungszeit um bis zu zwölf Monate: 1.500 bis 4.900 Euro.

  • Streichung einer DiGA auf Antrag: 200 Euro.

  • Bearbeitung einer Anzeige der wesentlichen Veränderungen: 1.500 bis 4.900 Euro.

  • Änderung an den im Verzeichnis veröffentlichten Informationen: 300 bis 1.000 Euro.

  • Beratung des DiGA-Herstellers: 250 bis 5.000 Euro (im Umfang geringfügige allgemeine mündliche, schriftliche oder elektronische Auskünfte sind hiervon ausgenommen).

Weitere Änderungen, die DGV und DiGAV mit sich bringen:

  • Telematikinfrastruktur wird erweitert. Ein verpflichtendes digitales Netzwerk für den Gesundheitsbereich wird geschafft und eine flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) festgelegt. Apotheken sollen sich bis Ende September 2020 und Krankenhäuser bis 1. Januar 2021 an die Telematik-Infrastruktur (TI) anschließen lassen (Hebammen, Physiotherapeuten, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen auf freiwilliger Basis). Ärzte, die sich nicht anschließen wollen, zahlen seit 1. März 2020 einen erhöhten Honorarabzug von 2,5 %. 

  • Videosprechstunden werden Alltag. Ärzte dürfen auf ihrer Internetseite über Videosprechstunden-Angebote informieren und entsprechend abhalten. 

  • Verwaltungsprozess wird durch Digitalisierung vereinfacht und sorgt für weniger Zettelwirtschaft. Neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem E-Rezept können auch alle anderen veranlassten Leistungen (z. B. Arztbriefe) elektronisch verordnet werden. 

  • Für bessere Erkenntnisse in der Gesundheitsforschung werden die bei den Krankenkassen vorliegenden Abrechnungsdaten pseudoanonymisiert vom Forschungsdatenzentrum zusammengefasst und der Forschung anonymisiert zur Verfügung gestellt. Regelungen zur Datentransparenz werden weiterentwickelt.

  • Alle Versicherten nehmen an der Digitalisierung teil. Die Krankenkassen werden verpflichtet, ihren Versicherten Angebote zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz zu unterbreiten. Die Versicherten können auf Wunsch den Umgang mit den digitalen Verfahren und Anwendungen erlernen, z. B. durch Nutzung von Gesundheits-Apps oder der elektronischen Patientenkarte.

  • Zukunft der elektronischen Patientenkarte ist noch unsicher. Im SGB V muss noch datenschutzrechtlich vieles angepasst und es müssen weitere umfassende Regelungen zur Patientenkarte festgelegt werden. Dafür wird es ein eigenes Gesetz geben.

    Die elektronische Patientenkarte wird aber trotzdem zum 1. Januar 2021 eingeführt.

 

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.