Jeder EU-Bürger hat im Jahr 2021 circa das Dreifache seines Körpergewichts an Verpackungsabfällen erzeugt. Die Deutschen belegen einen unangenehmen zweiten Platz bei den Verpackungsmüllerzeugern der EU und liegen somit weit über dem Durchschnitt. Und es wird stetig mehr: Belief sich die Gesamtmenge der Verpackungsabfälle in der EU 2009 auf 66 Mio. Tonnen, stieg sie im Jahr 2021 bereits auf 84 Mio. Tonnen an. Die Recyclingquote sank hingegen zwischen den Jahren 2017 und 2021 um drei Prozentpunkte (Quelle: Eurostat).
Mit diesem Trend soll jetzt Schluss sein – eine neue Verordnung zu Verpackungen und Verpackungsmüll (PPWR), mit welcher das Müllaufkommen reduziert und die Recyclingquote erhöht werden sollen, wartet auf die endgültige Annahme durch den Rat. Hierzu sollen Hersteller und Inverkehrbringer vermehrt in die Verantwortung gezogen werden. Tritt die PPWR in Kraft, müssen wir Verpackungen grundlegend neu denken – auch die Medizintechnik wird nicht an Änderungen vorbeikommen.
PPWR im Überblick
Bereits im Jahr 2020 hat die EU mit dem Aktionsplan für eine Kreislaufwirtschaft den Weg für eine Überarbeitung der europäischen Abfallgesetze geebnet. Im April 2024 stimmte das EU-Parlament für die PPWR. Nun steht die formelle Genehmigung durch den Rat an, bevor das Gesetz voraussichtlich zum Beginn des Jahres 2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird und 20 Tage später in Kraft tritt. Geltungsbeginn ist 18 Monate nach Inkrafttreten. Im gleichen Zeitraum wird die Kommission Durchführungsrechtsakte erlassen, mit welchen der spezifische Umgang einzelner Inhalte geregelt wird.
Da es sich um eine Verordnung handelt, gilt die PPWR unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Sie gilt für alle Unternehmen, die in der EU ansässig sind und für Unternehmen, die Produkte in die EU einführen. Damit ist grundsätzlich auch die Branche der Medizintechnik betroffen. Jedoch gibt es im Kleingedruckten einige Ausnahmen und Übergangsregelungen, auf welche nachfolgend eingegangen wird.
Die wichtigsten Regelungen zusammengefasst
- Anforderungen an Substanzen in Verpackungen: Die Verwendung von Blei, Cadmium, Quecksilber sowie sechswertigem Chrom in Verpackungen wird begrenzt und die ECHA soll weitere Verbote prüfen. Somit gewinnt die Material Compliance weiter an Bedeutung.
- Recycelbare Verpackungen: Es werden gestaffelte Mindeststandards für die Recyclingfähigkeit von Verpackungen festgelegt, mit wessen Einhaltung ökomodulierte Gebühren berechnet werden.
- Mindestanteil recycelter Materialien: Durch gestaffelte Mindestquoten soll der Einsatz von recycelten Materialien insbesondere bei Kunststoffverpackungen verstärkt werden.
- Reduzierung von Verpackungsabfällen: Verpackungen müssen nach spezifischen Designkriterien so konzipiert sein, dass Volumen und Gewicht reduziert werden. Gewisse Verpackungen unterliegen einem maximalen Leerraumanteil.
- Wiederverwendbare Verpackungen: Der Einsatz von wiederverwendbaren Verpackungen, besonders bei Transportverpackungen, wird durch Mindestquoten geregelt.
- Kennzeichnungs- und Informationspflichten: Umweltkennzeichnungen werden auf europäischer Ebene harmonisiert und Pflichten zur Kennzeichnung werden den Wirtschaftsteilnehmern auferlegt.
- Einsatz bevollmächtigter Vertreter: Unternehmen, die Verpackungen in EU-Mitgliedstaaten versenden und außerhalb ansässig sind, müssen einen bevollmächtigten Vertreter benennen.
- Konformitätserklärungen: Wirtschaftsteilnehmer müssen Konformitätserklärungen in einem landeseigenen Register vornehmen und eine technische Dokumentation erstellen.
- Erweiterte Herstellerpflichten: Verpackungshersteller müssen sich an den Lebenszykluskosten der Verpackungen finanziell beteiligen.
Ausnahmeregelungen für die Medizintechnik
Name Bild: Primärverpackungen von Medizinprodukten
In Artikel 6 werden Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen gestellt. Anfallende Sekundärrohstoffe müssen im Vergleich zum Ausgangsmaterial von ausreichender Qualität sein, sodass sie als Ersatz für Primärrohstoffe verwendet werden können. In drei Kategorien wird die Recyclingfähigkeit von Verpackungen bis zum Jahr 2038 mit Mindestangaben gestaffelt angehoben. Medizinprodukte nach Verordnung (EU) 2017/745 und In-Vitro Diagnostika nach Verordnung (EU) 2017/746 sind bis zum 01.01.2035 von dieser Regelung ausgenommen. Danach soll eine Anwendbarkeit erneut geprüft werden.
Nach Artikel 7 wird ab dem Jahr 2030 ein Mindestanteil an recyceltem Material in verschiedenen Kunststoffverpackungen vorgeschrieben, welcher gestaffelt angehoben wird. Kontaktempfindliche Kunststoffverpackungen von Medizinprodukten, Produkten, die ausschließlich für Forschungszwecke bestimmt sind und Prüfprodukte, die unter die Verordnung (EU) 2017/745 fallen genauso wie In-Vitro Diagnostika nach Verordnung (EU) 2017/746 sind von dieser Regelung ausgenommen. Kontaktempfindliche Verpackungen sind als solche definiert, die für Produkte genutzt werden, welche unter anderem in den Anwendungsbereich der Verordnungen (EU) 2017/745 – MDR und (EU) 2017/746 – IVDR fallen.
In Artikel 11 werden Anforderung an das Labeling von Verpackungen gestellt. Ein harmonisiertes System wird mit einem Durchführungsrechtsakt erlassen. Beispielsweise werden Kennzeichnungen über die Materialzusammensetzung, Kompostierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und den Recyclinganteil der Verpackung vorgeschrieben.
Weiterhin müssen Inhalte über einen QR-Code oder anderen digitalen Datenträger abrufbar sein. Schreibt anderweitiges Unionsrecht – beispielsweise die MDR – vor, dass Informationen über das verpackte Produkt mittels eines Datenträgers bereitgestellt werden müssen, so ist ein einziger Datenträger für die Bereitstellung der für das verpackte Produkt und für die Verpackung erforderlichen Informationen zu verwenden.
Der Artikel 11 gilt nicht für die Primärverpackung und die äußere Umhüllung im Sinne der Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) und der Verordnung (EU) 2017/746 (IVDR), wenn aufgrund anderer Kennzeichnungsvorschriften im Sinne der oben genannten Rechtsvorschriften kein Platz auf der Verpackung vorhanden ist oder wenn die Kennzeichnung der Verpackung die sichere Verwendung gefährden könnte.
In wie weit der Artikel 11 mit dem UDI Code vereinbar sein wird oder aus Sicherheitsbedenken nicht anwendbar sein könnte, wird man erst anhand der noch nachzulegenden Durchführungsverordnung zu diesem Thema feststellen können.
Der Ausblick auf eine neue Ära von Verpackungen
Durch die neue PPWR muss vor allem die Rückverfolgbarkeit der Verpackung über den Lebenszyklus hinweg gewährleistet werden. Stellen Sie sich am besten bereits jetzt die Frage: Kennen Sie den gesamten Weg Ihrer Verpackungen – auch bevor ein Produkt darin aufbewahrt wird? Für die Medizintechnik sind einige Ausnahmen gemacht worden, doch an Anpassungen des Designs von Verpackungen wird auch unsere Branche nicht vorbeikommen.
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Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.