Auf geradem Weg in den Markt

In einer Auswertung der EU Kommission zum Zertifizierungsstand unter MDR kam ans Licht, dass die meisten Einreichungen von Produktakten bei benannten Stellen erhebliche Mängel aufweisen. Hersteller und benannte Stellen drehen also ein bis mehrere Schleifen, bis sie am Ziel sind – einem MDR zertifizierten Produkt. Eine Möglichkeit, diese kostspieligen Umwege zu umgehen, sind frühzeitige und konkrete Analysen der erstellten Technischen Dokumentation.

Was nicht zu planen ist – oder vielleicht doch

Bei Neuentwicklungen ist es notwendig, einen Business Case, also eine Kosten-Nutzen-Planung, aufzustellen. Das Gleiche wäre auch bei sogenannten „Remediation“ Projekten sinnvoll, bei denen die bestehende Produktakte von Medizinprodukten gemäß den aktuellen regulatorischen Vorgaben anzupassen ist.

Doch wie setzen sich diese Kosten konkret zusammen?

Da sind erst einmal die internen Kosten, die sich anhand der Unternehmensstruktur ermitteln lassen. Dann kommen als externe Kosten ggf. noch Laborkosten und Kosten für klinische Prüfungen auf Sie zu, diese lassen sich in der Feasability Phase eines Projekts sicher bereits grob abschätzen bzw. anfragen. Und dann benötigen Sie natürlich eine Benannte Stelle (außer Klasse I/ Kategorie A), deren Zertifizierungskosten auf Sie zukommen.

Gemäß MDR und IVDR sowie der MDCG 2023-2 MDR form zur Darstellung der Gebühren müssen die Benannten Stellen diese einheitlich offen legen, worüber sich eine Vergleichbarkeit der Kosten ermöglicht. Leider haben bislang noch nicht alle benannten Stellen dieses Darstellungsformat für ihre Kostenstruktur umgesetzt.

Allerdings können sowieso alle wohlgemeinten Abschätzungen in sich zusammenfallen, sobald es zu Review-Schleifen bei den benannten Stellen kommt. Es werden intern sowie bei der Benannten Stelle höhere Aufwände notwendig, der Zeitplan kommt ins Wanken und im schlimmsten Fall steht das Zertifikat nach MDR / IVDR zur Diskussion.

Laut einer von der EU Kommission beauftragen Umfrage bei den Benannten Stellen sehen sich aktuell sehr viele Hersteller mit genau dieser Situation konfrontiert. 39 Benannte Stellen gaben an, dass im Juni 2023 nur ca. 21% der eingereichten Akten zu über 50% zufriedenstellend waren. Die Unterlagen sind laut Benannten Stellen zum großen Teil stark verbesserungswürdig und verursachen daher höhere Kosten als ursprünglich abgeschätzt.

Was gibt es noch zu bedenken?

Leider sind die Aufwandsabschätzungen nur dann zuverlässig, wenn der Hersteller vorher einen weiteren, entscheidenden Schritt gewagt hat: den ehrlichen Blick in die technische Dokumentation und das eigene Spiegelbild. Häufig wird erst durch intensive Reviews ersichtlich, dass die vermeintlich schriftlich belegten Fähigkeiten der Produkte überwiegend durch Wissen und Kenntnis belegt ist, das in den Köpfen der Mitarbeiter steckt. Doch dieses Wissen wird mit der Einreichung an die benannte Stelle nicht übermittelt und somit auch nicht unabhängig überprüfbar. Um dieses vorhandene Wissen ehrlich mit dem dokumentierten Kenntnisstand abzugleichen, benötigt es daher manchmal Hilfe von einer unabhängigen Partei.

Zusätzlich hinterlässt eine unzureichende Produktaktenstruktur oder eine von Anhang II abweichende Struktur von Anfang an beim Prüfer auf gut schwäbisch ein „Gschmäckle“. Die Benannte Stelle wird viel intensiver hinschauen, wenn die Strukturen gemäß Anhang II oder vorgegebene Inhalte in den regulatorischen Dokumenten Klinische Bewertung, Risikomanagementakte und Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen nicht zu finden sind. Man kann also auch von einem psychologischen Effekt ausgehen, denn bei offensichtlich lückenhafter Einreichung ist die Laune der Reviewer sicher von Anfang an nicht die beste.

Langwierige Diskussionen mit benannten Stellen können bei den beteiligten Kollegen auch zusätzlichen Stress verursachen, da die Zeitpläne oft eng gesteckt sind, denn man möchte das Produkt verständlicherweise ja gerne zügig in den Markt bringen.

Vielleicht denken Sie nun: hätte ich doch nur eine Glaskugel um zu wissen, was da auf uns zukommt.

Nun, eine Glaskugel ist leider kein valides Hilfsmittel für diesen Fall, jedoch kann der Blick eines oder mehrerer unabhängiger Experten dabei unterstützen, eine ehrliche Einschätzung der eigenen Dokumentation zu erhalten: durch eine GAP Analyse.

Welchen Nutzen habe ich von einer GAP Analyse?

Im Rahmen einer GAP Analyse ist es möglich, Lücken frühzeitig aufzuzeigen. Dies betrifft sowohl tatsächliche Lücken im Stand der Technik, die Ihnen unter Umständen nicht bewusst oder geläufig sind. Es betrifft aber auch Lücken, die erst dadurch ersichtlich werden, dass nicht langjährig geschultes Personal diese durch sein vorhandenes Fachwissen beim Lesen automatisch schließt. Es wird also durch unabhängige Parteien wie das Consulting Team der seleon GmbH ein neutraler Blick auf Ihre Dokumentation geworfen.

  • Ist die Produktbeschreibung vollständig und innerhalb der Dokumentation nach Anhang II und III stimmig?
  • Wurde der risikobasierte Ansatz an den relevanten Stellen berücksichtigt?
  • Passt das Ergebnis zum normativ geforderten Prozess?
  • Sind die klinischen Daten ausreichend?
  • Wurde der aktuelle Stand der Technik abgedeckt?
  • Sind die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachweislich erfüllt?
  • Werden spezifische Anforderungen an das Produkt durchgehend dokumentiert?

Doch im Gegensatz zu benannten Stellen dürfen wir Sie nach dieser Analyse dabei beraten, welchen Lösungsansatz Sie wählen können, um die identifizierten Lücken zu schließen.

Unter Umständen werden auch Lücken im Bereich der Qualifikation Ihres Personals aufgezeigt. Durch gezielte Schulungen und fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung Ihrer Dokumentation können dann entsprechend qualifizierte Berater bei Ihnen unterstützen und diesen GAP durch Schulungen oder ihre eigene Qualifikation im Rahmen der Dokumentenerstellung schließen. Das seleon Consulting Team verfügt über weit mehr als ein halbes Jahrhundert an Berufsjahren im Bereich der Akteneinreichungen bei benannten Stellen. Und wir sammeln stetig neue Erfahrungen dazu und erhalten weitere Einblicke in diese Aufgabe.

Von diesem Erfahrungsschatz können Hersteller in der Ausarbeitung der Dokumentation in Folge einer GAP Analyse profitieren. Auch die Diskussion oder das klärende Gespräch mit Ihrer benannten Stelle um konstruktive Lösungen herbeizuführen, scheuen wir dabei nicht.

Auch Hersteller von Klasse 1 bzw. Klasse A Produkten sollten sich hier angesprochen fühlen, auch wenn bei Ihnen keine Benannte Stelle beteiligt ist, denn Ihnen können Behördenanfragen und -Inspektionen „blühen“. Ihre Landesbehörde hat direkten Durchgriff und eine genaue Zeitvorstellung und wird Ihnen hier einen genauen inhaltlichen wie Zeitplan stecken. Schön, wenn man von Anfang an darauf vorbereitet ist.

Analyse Ihre Dokumentation auf die Erfordernisse einer 510(k)

Aktuell liegt Ihr Fokus auf Grund der MDR und/oder IVDR Einführung nicht auf dem europäischen Markt? Sie haben unter Umständen eine Marktanalyse durchgeführt und dabei festgestellt, dass der US-amerikanische Markt aktuell von größerem Interesse für Sie ist? Gerade im Fall einer geplanten 510(k) Einreichung sollten Sie dabei ebenfalls vorab eine neutrale Bewertung Ihrer Dokumentation durchführen lassen. Immerhin kostet eine 510(k) Einreichung bei der FDA in der Regel über 20.000 Dollar (es sei denn Sie sind ein „Small Business“). Und dabei schafft es bereits eine Vielzahl an Einreichungen nicht einmal durch die erste Reviewrunde der FDA, welche auf rein formalen Aspekten beruft. Hinzu kommen dann weitere abgelehnte Anträge, wenn die Einreichungen im Detail geprüft werden. Nun, mit diesem Wissen stellt sich also nochmals die Frage: Lohnt sich das Investment nun immer noch? Eine neutrale GAP Analyse Ihrer Dokumentation – egal ob bereits im 510(k) Format oder noch nach MDR strukturiert – lohnt sich hierbei vorab alle Mal.

Der frühe Vogel findet … hoffentlich keine Abweichungen

Eine Nichteinhaltung von gesetzlichen Vorgaben stellt ein hohes unternehmerisches Risiko dar, denn die Aufwände, in kurzer Zeit hier Abhilfe zu schaffen, sind beträchtlich.

Denn unverhofft kommt oft und Murphys Law kommt auch zum Tragen, die Behörden werden sicher einen für Sie ungünstigsten Zeitpunkt treffen – denn wann passt einem eine solche Inspektion ehrlicherweise in den Kram?

Sollte aber das Kind schon in den Brunnen gefallen sein, können wir als Berater schnell die notwendigen Kapazitäten und das entsprechende Knowhow zur Verfügung stellen, damit Ihr Unternehmen aus der Gefahrenzone kommt – auch durch tatkräftige Zuarbeit. Es kann auch für Ihre Kollegen und Mitarbeiter beruhigend sein, dass Sie Unterstützung von außen erhalten, um den meist vorhandenen Workload und Zeitdruck nicht weiter zu erhöhen.

Abschließend sei das Augenmerk darauf gelenkt, dass wir als Hersteller die ganzen regulatorischen Tätigkeiten (QM System, Produktakten, Klinische Prüfungen) nicht für die Benannten Stellen und Behörden auf uns nehmen, sondern um sichere und leistungsfähige Medizinprodukte zu entwickeln und mit der größtmöglichen Effizienz auf den Markt bringen zu wollen.

Eine gelenkte Vorgehensweise bringt Zeitgewinn und kreative Freiheiten, die ansonsten nicht möglich wären.

Die regulatorische Produktakte ermöglicht einen tiefen Blick in die Hintergründe und Vorgänge bei einem Medizinprodukt und ermöglicht damit eine zukunftsorientierte Vorgehensweise in der Produkt(weiter) entwicklung, auch wenn Sie Ihnen zu Beginn dieses Artikels vielleicht noch als unnötiger Ballast erschienen sein mag. Doch in Zukunft werden Sie und alle Anwender und Patienten, die Ihr Produkt verwenden, von dieser klar strukturierten Dokumentation profitieren.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.