Einordnung der neuen gemeinsamen Spezifikationen für Produkte nach Anhang XVI: 2022/2346 und 2022/2347

Die Verabschiedung der Gemeinsamen Spezifikationen im Rahmen der Durchführungsverordnungen 2022/2346 und 2022/2347 der Kommission am 1. Dezember 2022 ist ein wichtiger Meilenstein für die Medizinprodukteverordnung (MDR). Diese Spezifikationen bilden eine endgültige Grundlage für das Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte nach Anhang XVI, die keine medizinische Zweckbestimmung haben, und für die von den Herstellern zu erstellende Dokumentation. Zuvor war keine gemeinsame Spezifikation vollständig in Kraft gesetzt worden, was eine Lücke in der Regulierung dieser Produkte hinterließ. Mit diesem Durchbruch wird diese Lücke endlich geschlossen und eine solide Grundlage für die Bewertung solcher Produkte geschaffen, die gewährleistet, dass sie die erforderlichen Sicherheits- und Leistungskriterien erfüllen. Darüber hinaus bringen diese Spezifikationen eine Reklassifizierung bestimmter Produkte mit sich, wodurch die Vorschriften noch stärker auf die Zweckbestimmung der Produkte abgestimmt werden.

Erläuterung der gemeinsamen Spezifikationen 2022/2346 und 2022/2347

Die am 1. Dezember 2022 verabschiedeten Durchführungsverordnungen 2022/2346 und 2022/2347 der Kommission legen gemeinsame Spezifikationen für Produkte nach Anhang XVI fest. Die Gemeinsamen Spezifikationen enthalten Vorschriften für die Auslegung und Herstellung dieser Produkte und legen auch Methoden für die Überwachung nach dem Inverkehrbringen fest. Ihre Verabschiedung stellt eine bedeutende Änderung in der Regulierung von Anhang-XVI-Produkten dar, da sie die Grundlage dafür schafft, dass diese Produkte, die keiner medizinischen Zweckbestimmung dienen, einem Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden.

Im Wesentlichen handelt es sich bei den Produkten des Anhangs XVI um eine bestimmte Gruppe von Produkten, die zwar nicht für medizinische Zwecke bestimmt sind, aber direkt mit dem menschlichen Körper interagieren und daher eine bestimmte regulatorische Aufsicht erforderlich machen.

Für beide Verordnungen gelten unterschiedliche Fristen:

  • Gemeinsame Spezifikationen gemäß 2022/2346: anwendbar seit 22. Juni 2023. Artikel 2, Absatz 3 gilt seit 22. Dezember 2022
  • Re-Klassifizierung gemäß 2022/2347: 22. Dezember 2022
Klassifizierung von Produkten nach Anhang XVI

Anhang XVI umfasst Produkte wie nichtkorrigierende Kontaktlinsen, Geräte zur Fettabsaugung, Geräte zur Hauterneuerung oder -verjüngung sowie Geräte zur Haarentfernung oder andere Geräte mit intensiv gepulstem Licht (intense pulsed light, IPL). Ebenfalls eingeschlossen sind Geräte zur elektromagnetischen Hirnstimulation, mechanische Geräte zur Reduzierung, Entfernung oder Zerstörung von Fettgewebe, z. B. zur Körperformung oder zum Abnehmen, sowie Stoffe, die sowohl zur in vitro Verwendung als auch am Körper zum Zweck der Tätowierung oder zur Verbesserung des persönlichen Aussehens bestimmt sind. Generell kann die Liste, der in Anhang XVI aufgeführten Produkte von der Europäischen Union geändert werden, indem entweder weitere Produkte hinzugefügt oder bestimmte Produkte gestrichen werden.

Gemäß der MDR würde die Klassifizierung nach den in Anhang VIII festgelegten Regeln erfolgen.

Die Durchführungsverordnung 2022/2347 der Kommission stuft nun bestimmte Produkte des Anhangs XVI in eine bestimmte Klasse ein, unabhängig von den geltenden Klassifizierungsregeln gemäß der MDR. Dazu gehören:

  • Geräte, die elektromagnetische Strahlung hoher Intensität aussenden
    • zur Anwendung am menschlichen Körper zur Hautbehandlungà Klasse IIb
    • nur für die Haarentfernung bestimmtà Klasse IIa
  • Geräte, die zur Reduzierung, Entfernung oder Vernichtung von Fettgewebe bestimmt sindà Klasse IIb
  • Geräte zur Hirnstimulation, die elektrische Ströme oder magnetische oder elektromagnetische Felder anwenden, die den Schädel durchdringen, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu verändernà Klasse III
Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung

Die Rolle der Gemeinsamen Spezifikationen (CS, common specifications) bei der Konformitätsbewertung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese CS, die in der EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR) festgelegt sind, bilden einen harmonisierten Rahmen für die Anforderungen, die Anhang-XVI-Produkte erfüllen müssen. Sie dienen den Herstellern als maßgeblicher Leitfaden, der die Messlatte für die Sicherheit und Leistung ihrer Produkte vorgibt. Jeder Schritt des Konformitätsbewertungsverfahrens – von der Dokumentation bis zur Überwachung nach dem Inverkehrbringen – wird durch diese CS untermauert. Sie gewährleisten nicht nur, dass die Produkte für ihren vorgesehenen nichtmedizinischen Zweck sicher und wirksam sind, sondern auch, dass sie diese Standards angesichts der sich weiterentwickelnden Technologien und Nutzerbedürfnisse beibehalten. Die Verabschiedung gemeinsamer Spezifikationen wie der 2022/2346 ist ein wichtiger Meilenstein, der den Herstellern einen dringend benötigten Fahrplan für die Einhaltung der Vorschriften bietet.

Im Allgemeinen müssen die Produkte die gleichen Konformitätsverfahren gemäß Artikel 52 der MDR durchlaufen, wie jedes andere Medizinprodukt, das unter die MDR fällt, und zwar in Bezug auf die jeweilige Risikoklasse.

Aufschlüsselung der festgelegten spezifischen Anforderungen

Anhang I der gemeinsamen Spezifikationen gemäß (EU) 2022/2346 enthält allgemeine Anforderungen für alle Produkte, die in den Anhängen II bis VII der CS behandelt werden. Zu den behandelten Themen gehören:

  • Risikomanagement
  • Aktivitäten während und nach der Produktion
  • Sicherheitsinformationen
  • Kennzeichnung
  • Gebrauchsanweisung

Die Anhänge II bis VII der Verordnung (EU) 2022/2346 enthalten dann jeweils spezifischere Anforderungen an das Risikomanagement und die Sicherheitsinformationen. Die Anhänge behandeln die folgenden Produktgruppen:

  • Anhang II: Spezifikationen für bestimmte Kontaktlinsen ohne medizinische Zweckbestimmung
  • Anhang III: Spezifikationen für Produkte, die dazu bestimmt sind, ganz oder teilweise auf chirurgisch-invasivem Wege in den menschlichen Körper eingeführt zu werden, zur Modifizierung der Anatomie
  • Anhang IV: Spezifikationen für bestimmte Stoffe, Stoffkombinationen oder Gegenstände, die dazu bestimmt sind, durch subkutane, submuköse oder intrakutane Injektion oder auf andere Weise in das Gesicht oder andere Haut- oder Schleimhautbereiche eingeführt zu werden
  • Anhang V: Spezifikationen für Geräte, die zur Reduzierung, Entfernung oder Zerstörung von Fettgewebe bestimmt sind, wie z. B. Geräte zur Fettabsaugung, Lipolyse oder Lipoplastie
  • Anhang VI: Geräte, die hochintensive elektromagnetische Strahlung (z. B. Infrarot, sichtbares Licht und Ultraviolett) aussenden und zur Anwendung am menschlichen Körper bestimmt sind, einschließlich kohärenter und nichtkohärenter Lichtquellen, monochromatisch und mit breitem Spektrum, wie z. B. Laser und Geräte mit intensivem gepulstem Licht, für die Hauterneuerung, die Entfernung von Tätowierungen oder Haaren oder andere Hautbehandlungen
  • Anhang VII: Geräte zur Hirnstimulation, die elektrische Ströme oder magnetische oder elektromagnetische Felder erzeugen, die den Schädel durchdringen, um die neuronale Aktivität im Gehirn zu verändern
Erwartete Vorteile und Herausforderungen der Einführung der gemeinsamen Spezifikationen

Die Einführung der gemeinsamen Spezifikationen in Anhang XVI bietet viele potenzielle Vorteile. Sie kann den mit der Einhaltung der Vorschriften verbundenen Zeit- und Kostenaufwand verringern und gleichzeitig sicherstellen, dass alle Medizinprodukte und nichtmedizinischen Produkte, die ein Medizinprodukt nachahmen, so konzipiert sind, dass sie strenge Sicherheits- und Leistungsstandards erfüllen. Darüber hinaus fördert die Einführung von CS die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und benannten Stellen, was zu einer besseren Umsetzung der MDR-Anforderungen beiträgt.

Diese Vorteile bringen jedoch auch einige Herausforderungen mit sich. Die Umstellung auf die neuen Vorschriften könnte eine entmutigende Aufgabe für Hersteller sein, die bisher ohne solch strenge Richtlinien gearbeitet haben. Die Anpassung an die neuen Anforderungen könnte erhebliche Änderungen bei der Auslegung, den Prüfungen und den Produktionsverfahren von Anhang-XVI-Produkten erforderlich machen. Außerdem könnte der Zeitrahmen für die Erreichung der Konformität mit den Common Specifications eine potenzielle Hürde darstellen, insbesondere für kleinere Hersteller. Doch trotz dieser Herausforderungen unterstreicht der Gesamtnutzen, der sich aus der erhöhten Sicherheit für die Nutzer und dem größeren Vertrauen in diese Produkte ergibt, die Bedeutung und Notwendigkeit der Einführung der CS.

Insgesamt ist die Annahme gemeinsamer Spezifikationen in Anhang XVI ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheit von Medizinprodukten und zur besseren Einhaltung der MDR-Vorschriften. Durch Zusammenarbeit und Nutzung der Vorteile, die die Annahme der CS bietet, können die Hersteller sicherstellen, dass ihre Produkte den höchsten Sicherheits- und Leistungsstandards entsprechen.

Außerdem erhöht der Harmonisierungsprozess die Transparenz und Vorhersehbarkeit auf dem Markt. Da alle Hersteller die gleichen Richtlinien befolgen, ist klarer, was die Einhaltung der Vorschriften bedeutet. Die Einführung des CS stärkt daher nicht nur das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte nach Anhang XVI, sondern fördert auch ein faires, innovatives und sicheres Umfeld auf dem Medizinproduktemarkt.

Fällt Ihr Produkt unter Anhang XVI? Sind Sie neu in der Welt der Medizintechnik? Wenden Sie sich an uns, wir helfen Ihnen, die Anforderungen und die für Ihre Produkte erforderliche Dokumentation zu verstehen.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.