Waren die Grundlegenden Anforderungen ein Kernelement, um die Konformität mit der MDD nachzuweisen, sind es jetzt die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSLA), die bei der MDR diesem Zweck dienen. Die im Anhang I der MDR enthaltenen Anforderungen wurden genauer formuliert sowie thematisch erweitert.
Die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSLA) finden sich in Anhang I der MDR wieder. Der Kürze, und womöglich auch der Gewohnheit wegen, wird noch oft nur von den „Grundlegenden Anforderungen“ gesprochen, auch wenn eigentlich Bezug auf die GSLA genommen wird.
Kurz und knapp: Das ändert sich
Um das Ausmaß der Veränderung zu verdeutlichen: Die Grundlegenden Anforderungen aus der MDD waren mit lediglich 13 Unterpunkten in 2 Kapiteln unterteilt. In der MDR sind es nun 23 Unterpunkte in 3 Kapiteln. Die Neuerungen durch die MDR haben also die Vorgehensweise nicht wesentlich geändert, es sind jedoch der Umfang und die Detailliertheit der Anforderungen erheblich gestiegen, die Wortanzahl von den GA zu den GSLA hat sich nahezu verdoppelt.
Neben der Vertiefung einiger Aspekte wurden andere Themen neu in die Anforderungsliste der GSLA aufgenommen. Dazu zählen u.a.
Anforderungen an Produkte die Arzneimittel verabreichen (GSLA 10.3/4) oder enthalten (GSLA 12)
spezielle Anforderungen an Produkte die Gewebe menschlichen oder tierischen Ursprungs enthalten (GSLA 13)
Anforderungen an die Entsorgung (GSLA 14.7/23.4 v))
Anforderungen an die IT-Sicherheit (GSLA 17.4)
Anforderungen an Produkte, die durch Laien genutzt werden sollen (GSLA 22)
allgemeine Anforderungen an das „Labeling“ (GSLA 23)
Zusätzliche Anforderungen kommen auch dadurch, dass die MDD mit der AIMDD (GSLA 19) verschmilzt. Des Weiteren hat eine Reihe von Themen eine stärkere Gewichtung in den GSLA der MDR erhalten oder wurde in größerer Ausführlichkeit behandelt.
Aufbau und Struktur
Die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen sind in die folgenden drei Kapitel mit den jeweiligen Absätzen unterteilt:
1. Allgemeine Anforderungen
Zweckbestimmung, Sicherheit von Patienten, Anwendern und Dritten
Minimierung von Risiken
Risikomanagementsystem
Maßnahmen zur Risikokontrolle
Risiken durch Anwendungsfehler
Produktleistung darf nicht negativ beeinträchtigt werden
Produkt-Auslegung, -Herstellung, -Verpackung
Risikominimierung, vertretbares Risiko-Nutzen-Verhältnis
Allgemeine Sicherheitsanforderungen auch für Produkte gemäß Anhang XVI
2. Anforderungen an Auslegung und Herstellung
Chemische, physikalische und biologische Eigenschaften/Stoffe
Infektion und mikrobielle Kontamination
Produkte mit Stoff im Bestandteil, der als Arzneimittel gilt; Produkte aus Stoffen/Stoffkombinationen, die vom menschlichen Körper aufgenommen oder lokal verteilt werden
Produkte, zu deren Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören
Herstellung von Produkten und Wechselwirkungen mit ihrer Umgebung
Produkte mit Diagnose- und Messfunktion
Schutz vor Strahlung
Programmierbare Elektroniksysteme – Produkte, zu deren Bestandteilen programmierbare Elektroniksysteme gehören, und Produkte in Form einer Software
Aktive Produkte und mit diesen verbundene Produkte
Besondere Anforderungen für aktive implantierbare Produkte
Schutz vor mechanischen und thermischen Risiken
Schutz vor Risiken für den Patienten oder Anwender durch Produkte, die Energie oder Stoffe abgeben
Schutz vor den Risiken durch Medizinprodukte, für die der Hersteller die Anwendung durch Laien vorsieht
3. Anforderungen an die mit dem Produkt gelieferten Informationen
Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung
Kapitel 1 zeigt noch einige Ähnlichkeiten zu dem der MDD. Einzelne Absätze weisen eine hohe Übereinstimmung auf, jedoch mit stärkerer Betonung auf Aspekte, wie Gebrauchstauglichkeit, Zuverlässigkeit entlang des Lebenszyklus und den „Stand der Technik“. Die Absätze 2 – 5 zeigen eine klare Gewichtung auf das Risikomanagement, was bedeutet, dass dies für Medizinprodukte essentiell ist. Während sich Absatz 9 dem neuen Aspekt bezüglich der Medizinprodukte ohne medizinischen Zweck widmet, ist der Rest der Absätze sehr ähnlich zur MDD und beschreibt die „Standard“-Anforderungen an jedes Medizinprodukt.
Einige wichtige Aspekte aus Kapitel 2 müssen auch hervorgehoben werden. In Bezug auf die chemischen, physikalischen und biologischen Eigenschaften (Absatz 10) wird viel detaillierter beschrieben, was die Handhabung der Toxizität und spezifischer Substanzen angeht. Mehr Anforderungen an Infektion und mikrobielle Kontamination schreibt Absatz 11 vor. Für Absatz 12 wurde der Bereich der medizinischen Stoffe erweitert, sodass nun auch Stoffe erfasst sind, die vom menschlichen Körper aufgenommen oder lokal verteilt werden. Ähnliches passiert in Bezug auf biologisches Gewebe (Absatz 13), wo nun auch menschliches Gewebe (nicht lebensfähig) miteinbezogen wird. Mehr Regelungen gibt es auch für die Wechselwirkung von Medizinprodukten mit der Umgebung (Absatz 14) und der Kompatibilität mit anderen Geräten. Wichtig ist noch zu nennen, dass der Aspekt der Netzwerksicherheit auch mehr an Bedeutung gewinnt und die Vorschriften für mechanische und thermische Risiken viel detaillierter geworden sind, auch was die Risikominderung dabei angeht.
Absatz 23 „Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung“ wird ausführlich in Kapitel 3 behandelt. Es geht im Allgemeinen um wesentlich mehr Anforderungen, wie z.B. das Format der Gebrauchsanweisung, Lesbarkeit, Verständlichkeit, Verfügbarkeit und all das auch im Zusammenhang mit Laien – nicht nur Fachpersonal. Viele Präzisierungen gibt es auch bei der Kennzeichnung der Medizinprodukte. So muss man zusätzliche Anforderungen für die UDI-Kennzeichnung erfüllen sowie für Geräte, die menschliches oder tierisches Gewebe beinhalten. Ebenso wie bei der Kennzeichnung von sterilen Verpackungen oder der Angabe von CMR-Stoffen. Es lässt sich somit festhalten, dass die Anforderungen an die Kennzeichnung allgemein geändert wurden und wesentlich gestiegen sind.
Noch ein paar Fakten
Grundsätzlich hat sich an der Zielausrichtung der GSLA aus regulatorischer Sicht nichts geändert. Es ist immer noch essentiell, dass die Sicherheit und Wirksamkeit der Medizinprodukte nachgewiesen werden. Dies muss in dem gegebenen klinischen Kontext akzeptabel sein. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass sich diese beiden Komponenten während der gesamten Lebensdauer des Medizinproduktes nicht maßgeblich ändern. Dafür wird ein systematischer Risikomanagementprozess verlangt, welcher eine ständige Aktualisierung beinhalten muss, auch nach der Markteinführung.
Der Nachweis, dass die GSLA erfüllt sind, ist Teil der technischen Dokumentation. Aber auch im Zuge des gewählten Konformitätsbewertungsverfahrens muss man nachweisen, dass die GSLA eingehalten werden.
Mit den GSLA wird auch auf aktuelle Entwicklungen eingegangen bzw. Themen, die in der jüngeren Vergangenheit von Brisanz waren. Dazu gehören stoffliche Medizinprodukte, Software-Systeme und Spezialgebiete aus der IT oder Anwendungen im Home-Care Bereich.
Eine Herausforderungen bei den GSLA ist, dass viele „state of the art“-Anforderungen aus harmonisierten Normen direkt in die MDR übernommen wurden. Jedoch verweist aktuell noch kein Anhang Zx aus den harmonisierten Normen auf die GSLA in der MDR. Dies bedeutet, dass die Verbindungen momentan noch selbst hergestellt werden müssen und es noch keine Einheitlichkeit gibt.
So geht es weiter
Als Medizinproduktehersteller sollte man zügig eine neue Checkliste zu den Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nach Anhang I MDR erstellen und ausfüllen. So kann man sicherstellen, dass die neuen GSLA innerhalb des Unternehmens rechtzeitig umgesetzt und eingehalten werden. Die Vorgehensweise anhand einer Checkliste ist auch deshalb praktikabel, da noch niemand, auch nicht die Benannten Stellen, bisher Erfahrung in der Auslegung/Interpretation der GSLA hat. Das heißt wiederum, dass eine frühzeitige Abstimmung mit der Benannten Stelle zu empfehlen ist, um etwaige Hindernisse rechtzeitig zu erkennen und zu umgehen.
Die seleon gmbh kann Ihnen mit viel Expertenwissen zur Seite stehen, damit die GSLA der MDR durch Ihre Medizinprodukte erfüllt werden, und dem nächsten Schritt, dem Konformitätsbewertungsverfahren, nichts mehr im Wege steht.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.