Am 25. Mai 2017 sind die Verordnungen EU 2017/745 für Medizinprodukte (MDR) und EU 2017/746 für In-vitro-Diagnostika (IVDR) in Kraft getreten. Momentan gilt für die MDR noch eine dreijährige Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2020 und für die IVDR eine fünfjährige Übergangsfrist bis zum 26. Mai 2022, während die der MDR sowie IVDR und die bisherigen Richtlinien MDD (Medizinprodukte), AIMD (aktive Implantate) und IVDD (In-vitro-Diagnostika) parallel gelten. Bis dahin muss vieles getan werden, und aktuelle Prozesse müssen an die neuen Anforderungen der MDR bzw. IVDR angepasst werden. Das betrifft hauptsächlich die Hersteller von Medizinprodukten. Jedoch in einem Punkt haben die Behörden und Institutionen auch noch etwas zu tun. Nämlich, wenn es um den Aspekt der harmonisierten Normen geht.

Was sind harmonisierte Normen, und wozu brauchen wir sie?

Zur Feststellung oder Beanspruchung der Konformität mit den rundlegenden Anforderungen aus Anhang I der MDD werden sogenannte harmonisierte Normen herangezogen. Bei diesem Vorgehen spricht man auch von der Konformitätsvermutung. Harmonisierte Normen sind in der Regel ISO- oder IEC-Normen, manchmal jedoch (und in der Vergangenheit häufiger) rein europäische Normen. Diese werden im Auftrag der Europäischen Kommission und der EFTA normiert und explizit im EU-Amtsblatt bekannt gegeben. Somit sind diese Normen europaweit einheitlich. Damit sie den Status der „Harmonisierung“ erhalten können, müssen die Ausgangsnormen u. a. noch mit zusätzlichen sogenannten Zx-Anhängen ausgestattet werden. In diesen Anhängen wird – meist in Tabellenform – dargelegt, ob die Norm bzw. welches Kapitel oder welcher Punkt der Norm geeignet ist, um die grundlegende(n) Anforderung(en) der entsprechenden Anhänge der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG, der Richtlinie über aktive Implantate 90/385/EWG sowie der Richtlinie über In-vitro-Diagnostika 98/79/EG abzudecken. In Summe sollten alle verwendeten harmonisierten Normen die grundlegenden Anforderungen abdecken. Bleiben Lücken, müssen diese über anderweitige Nachweise gefüllt werden.

Nun fehlt für die MDR bisher eine solche Harmonisierung, jedoch hat die EU Kommission im Juni 2019 eine Liste mit Normen veröffentlicht, die harmonisiert werden soll. Das Mandat zur Erstellung dieser Liste wurde bereits gegeben und nun müssen die einzelnen Normgremien ihre Arbeit leisten. Dabei müssen die Gremien festlegen, wie bestimmte regulatorische anforderungen durch entsprechende Kapitel oder Teile (einzelne Sätze) aus der jeweiligen Norm erfüllt werden. Dies wird dann in den Anhängen Zx festgehalten. 

Obwohl die Harmonisierung noch nicht abgeschlossen ist und bisher lediglich die geplanten Normen bekannt gegeben sind, sollten sich Medizinproduktehersteller trotzdem bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie sie die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der neuen europäischen Verordnungen erfüllen. 

Es ist davon auszugehen, dass die europäischen Medizinprodukte-Normen, die bereits unter der MDD harmonisiert wurden, auch dazu geeignet sind, die Konformität mit einem Großteil der grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der neuen Verordnungen nachzuweisen. Denn diese Normen haben sich bei der Beurteilung der Konformität mit den grundlegenden Anforderungen bewährt. Somit ist diese Schlussfolgerung naheliegend und wird auch durch die Liste der Kommission bestätigt, wobei zu den gängigen Normen auch viele neue hinzugekommen sind.

Unter anderem handelt es sich um diese üblichen europäischen Normen:

  • EN 556: Sterilisation von Medizinprodukten-Anforderungen an Medizinprodukte, die als „STERIL“ gekennzeichnet werden, Teil 1–2

  • EN 10993: Biologische Beurteilung von Medizinprodukten, Teil 1–18

  • EN ISO 13485: Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke

  • EN ISO 14155: Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen – gute klinische Praxis

  • EN ISO 14971: Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte

  • EN ISO 15223-1: Medizinprodukte – bei Aufschriften von Medizinprodukten zu verwendende Symbole, Kennzeichnung und zu liefernde Informationen, Teil 1: Allgemeine Anforderungen

  • EN 60601-1: Medizinische elektrische Geräte, allgemeine Festlegungen

  • EN 62304: Medizingeräte-Software  – Software-Lebenszyklus-Prozesse

  • EN 62366-1: Medizinprodukte – Teil 1: Anwendung der Gebrauchstauglichkeit auf Medizinprodukte

Handlungshilfen bei der Bestimmung der Konformität

Mit dem Nachweis der Konformität der Produkte mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR bzw. IVDR kommen in einem Unternehmen meistens Qualitätsmanagement-Beauftragte oder Qualitäts- sowie Regulatory Affairs Manager in Berührung. 

Es ist davon auszugehen, dass die maßgebenden Normen, mit denen unter den alten Richtlinien die Konformität mit deren grundlegenden Anforderungen nachgewiesen wurde, auch unter den neuen Verordnungen zum Nachweis der Konformität herangezogen werden können. 

Bei den spezifischen Normen für Produkte kann nicht in allen Fällen eine Harmonisierung erwartet werden. Im Einzelfall wäre hier zu prüfen, ob eine Harmonisierung der spezifischen Norm stattgefunden hat oder stattfinden wird. Ein Verweis auf die entsprechende Anforderung in der MDD ist hier hilfreich. Im Zweifelsfall kann die Benannte Stelle eingeschaltet werden.

Bei europäischen Guidelines, die sich explizit auf in der MDR genannte Anforderungen beziehen, ist der Konformitätsnachweis per se eigentlich schon erbracht. Dies gilt natürlich auch für entsprechende nationale Gesetze, die die Richtlinien und Verordnungen umsetzen. 
Da die Leitfäden und Leitlinien der Europäischen Union im überwiegenden Fall auf die alten Richtlinien angepasst sind, sind diese nur mit Vorsicht zu genießen. Eine Ausnahme bildet die MEDDEV 2.7/1 rev. 4, von der Teile in den Text der MDR übernommen wurden. Wenn Leitlinien im Anforderungstext der MDR genannt werden, können diese natürlich als Nachweis herangezogen werden. 

Ausblick

Ob die Harmonisierung auch für spezifische Normen für bestimmte Produkte oder Produktgruppen der Medizintechnik final vollzogen wird, bleibt abzuwarten. Des Weiteren hat sich die Europäische Kommission die Möglichkeit offengelassen, in dem Bereich, für den es keine harmonisierten Normen gibt, die Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen über die Einhaltung sogenannter common specifications/Gemeinsame Spezifikationen (Art. 9 MDR) nachweisen zu lassen. Das heißt, es wird zusätzlich zu den harmonisierten Normen in Zukunft noch ein weiteres Instrument zum Konformitätsnachweis geben. 

Bis dahin, das heißt, bis zur vollendeten Harmonisierung von Normen unter der MDR und der Aufstellung der ersten „common specifications“ wird noch einige Zeit verstreichen. Im Zweifelsfall ist es auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, sich mit den Benannten Stellen auf ein gemeinsames Vorgehen zu verständigen. 

 

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.