Prüfung auf Zytotoxizität

Die Normenreihe EN ISO 10993 deckt verschiedene Aspekte der biologischen Beurteilung von Medizinprodukten ab und trägt zur Demonstration ihrer Sicherheit bei. In den über 20 Teilen der Reihe finden sich neue wie bewährte Prüfungen. Eine der bekanntesten und am weitesten verbreitet ist wohl die EN ISO 10993-5:2009.

DIN EN ISO 10993-5:2009
Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 5: Prüfungen auf In-vitro-Zytotoxizität

Niemand möchte mit giftigen oder schädlichen Produkten in Kontakt kommen, erst recht nicht, wenn es sich um ein Medizinprodukt handelt. Hat ein Produkt jedoch die Eigenschaft, Zellen zu schädigen oder zu zerstören, bezeichnet man diese als Zytotoxizität. Doch nicht immer liegen den Herstellern genug detaillierte Informationen aus der Lieferkette vor um die Verträglichkeit der Materialien bewerten zu können – hier kommen die in der Norm EN ISO 10993-5 beschriebene Prüfung auf Zytotoxizität ins Spiel. Hierbei handelt es sich um eine vergleichsweise preiswerte Prüfung, die sich großer Beliebtheit erfreut und häufig Anwendung findet – auch weil die Zytotoxizität nach EN ISO 10993-1 ein für fast alle Produkte zu bewertender Endpunkt ist. So macht es Sinn, die Prüfung auf Zytotoxizität bereits in der Entwicklungsphase zur Identifizierung von geeigneten Materialien, und später auch am fertigen Produkt (ggf. steril, in Verpackung) und in Kombination mit der EN ISO 10993-18, der chemischen Charakterisierung, durchzuführen, um die Ergebnisse eindeutig interpretieren und eine sichere Aussage treffen zu können.
Auch lassen sich z.B. im Rahmen der Qualitätssicherung schnell Verunreinigungen detektieren und so recht preisgünstig „saubere“ Ware mit den entsprechenden Eigenschaften identifizieren.

Der 5teTeil der 10993-Normenreihe beschreibt also Prüfverfahren zur Beurteilung der In-vitro-Zytotoxizität von Medizinprodukten

Diese Verfahren legen die Kultivierung von Zellen fest, entweder in direktem Kontakt mit einem Medizinprodukt und/oder Extrakten eines Medizinprodukts, oder auch durch Diffusion.
Die Verfahren sind geeignet, die biologische Reaktion von Säugetierzellen in-vitro unter Anwendung geeigneter biologischer Parameter zu bestimmen.

Ein Prüfschema soll bei der Auswahl des passenden Prüfverfahrens helfen. Die Prüfverfahren werden grob unterteilt in

  • Prüfung von Extrakten
  • Prüfung mit direktem Zell-/Materialkontakt, sowie
  • Prüfung mit indirektem Zell-/Materialkontakt.

Je nach Art der Probe, Anwendung und möglichen Applikationsorten werden eine oder mehrere der genannten Prüfverfahren ausgewählt. Es gibt eine Vielzahl möglicher Prüfungen und Endpunkte, und je nach Art der Messung können verschiedene Bewertungskriterien Anwendung finden:

  • Abschätzungen der Zellschädigung aufgrund morphologischer Veränderungen
  • Messungen der Zellschädigung – Auswertung in Abhängigkeit der eingesetzten Materialien
  • Messungen des Zellwachstums
  • Messungen spezifischer Aspekte des Zellstoffwechsels.

Gerade die Materialeigenschaften können einen Einfluss auf die genaue Testplanung und Durchführung haben. Im Falle von Elasthan findet beispielsweise ein abweichendes Prüfprotokoll Anwendung, das die spezifischen Eigenschaften berücksichtigt.

Unser Partner Hohenstein Medical berichtet hierzu aus dem Prüflabor:

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten unser Medizinprodukt auf Zytotoxizität nach DIN EN ISO 10993-5 testen lassen, bitte schicken Sie uns ein Angebot.

So oder so ähnlich lauten viele Anfragen, die uns bei Hohenstein Medical per Mail erreichen. Der Zytotoxizitätstest ist einer unserer Standardtests, das Angebot schnell erstellt. Auf das Angebot folgt der Auftrag und wir bekommen die Probe zugeschickt.
Im Labor wird dann von den Prüfmustern ein Extrakt hergestellt, welches mit lebenden Zellen inkubiert wird. Nach einer Inkubationszeit von 72 Stunden wird mittels Proteinfärbung die Wachstumshemmung im Vergleich zu einer Kontrolle bestimmt.
Fällt der Test am Ende schlecht aus, taucht oft die Frage nach dem Warum? auf.
Der Test selbst liefert hierzu leider keine Antworten, da nur die Wirksamkeit auf die eingesetzten Zellen untersucht wird. Es handelt sich nicht um eine Analyse einzelner Substanzen. Oft liegen uns als Labor keine näheren Informationen zu dem zu prüfenden Produkt vor.
Detaillierte Informationen zum Produkt und seiner Zusammensetzung sind jedoch essenziell wichtig für die biologische Bewertung nach der Normenreihe EN ISO 10993 und die Auswahl geeigneter/notwendiger Prüfungen.
So können wir z.B. für Elasthan haltige Produkte eine andere Version des Zytotoxizitätstest anbieten. Elasthan ist bekanntermaßen häufig zytotoxisch, daher wurde 2018 von C. Wiegand et al. eine speziell angepasste Version der EN ISO 10993-5 für Kompressionstrümpfe und ähnliche Produkte veröffentlicht. Hierbei wird die Ausgangszellzahl etwas höher gewählt und als Extraktionsmittel saure Schweißlösung verwendet, da Schweiß auf intakter Haut die relevanteste Flüssigkeit ist. Nach einer Inkubation auf den Zellen für 24h wird zum einen mittels Proteinfärbung die Wachstumshemmung, zum anderen die LDH-Aktivität im Zellkulturüberstand im Vergleich zu einer Kontrolle bestimmt.
Sind keine oder nur wenige Informationen zum Produkt vorhanden oder zu bekommen, ist es sinnvoll zuerst eine chemische Charakterisierung nach EN ISO 10993-18 machen zu lassen. Anhand dieser Daten lässt sich dann leichter die beste Methode für das jeweilige Produkt bestimmen. So kann man die Frage: „Warum ist mein Produkt durchgefallen?“ eventuell schon im Vorhinein vermeiden.

Mit diesem Einblick möchten wir Ihnen aufzeigen, dass Hohenstein Medical nach standardisierten Methoden prüft, jedoch stets mit dem Blick auf die tatsächlichen Produkteigenschaften. Bei der Festlegung dieser Eigenschaften sowie der Erstellung eines biologischen Bewertungsplans haben Sie noch Schwierigkeiten? Die seleon GmbH wird Sie gerne bei der Erstellung Ihrer Dokumentation unterstützen.

Weiterführendes zur biologischen Bewertung und erwarteten Verunreinigungen

Sie haben aus Ihre Sicht alles richtig gemacht? Produkteigenschaften festgelegt und kommuniziert, biologischen Bewertungsplan nach EN ISO 10993-1 erstellt, chemische Charakterisierung nach EN ISO 10993-18 vorgenommen und trotzdem noch unerwartete Werte in der Prüfung auf Zytotoxizität? Dann werfen Sie einen Blick in die neue:         

Zu dieser Norm geben wir Ihnen auf unserem Blog ebenfalls einen Einblick: Reinheit von Medizinprodukten

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.