Maschinenverordnung – auf die Zukunft ausgelegt. Auch für Ihr Medizinprodukt?

Am 29.06.2023 wurde im Amtsblatt der EU die Verordnung (EU) 2023/1230 (Maschinenverordnung, MVO) veröffentlicht und trat bereits zum 19.07.2023 in Kraft. Diese wird künftig die als gediente Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) ablösen.

Die wichtigsten Beweggründe des Gesetzgebers für die Neuerung lagen darin, Unstimmigkeiten im Grenzbereich zu anderen europäischen Gesetzgebungen auszuräumen, unter anderem durch klare Differenzierungen im Anwendungsbereich und durch die Einführung neuer Definitionen. Neuen Risiken in Bezug auf den ständig zunehmenden Einsatz von Software und künstlicher Intelligenz wurde Rechnung getragen und als konsequente Umsetzung des Green Deals der Kommission ist eine Verringerung von papierbasierter Dokumentation vorgesehen.

Aktive Medizinprodukte können unter bestimmten Bedingungen unter die Definition „Maschine“ und somit die Verordnung fallen. Insbesondere Hersteller, für deren Produkte bislang zusätzlich zur Konformität zur MDD bzw. MDR auch eine Konformität zur Maschinenrichtlinie erklärt wurde, sind von dieser Gesetzesänderung betroffen und sollten entsprechende Vorbereitungen treffen.

Konformitätsvermutung für Maschinen

Die Maschinenverordnung muss – im Gegensatz zur Maschinenrichtlinie – nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sondern gilt unmittelbar für die betroffenen Hersteller und kann lediglich durch nationales Recht ergänzt werden. Das analoge Rechtsgeschehen kennen Sie von der Ablösung der MDD/IVDD durch die MDR/IVDR, wodurch die Umsetzung in nationales Recht durch das deutsche Medizinproduktegesetz (MPG) unnötig wurde und das ergänzende Medizinproduktdurchführungsgesetz (MPDG) eingeführt wurde. Entsprechend wird das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) in seiner jetzigen Form nicht mehr für die Umsetzung der MRL in Deutschland benötigt, da die MVO direkt in allen europäischen Ländern anwendbar ist, jedoch setzt es weit mehr europäisches Recht als nur die Maschinenrichtlinie um und bleibt daher vermutlich in geänderter Fassung weiterhin bestehen.

In Artikel 1 Absatz 12 der MDR wird explizit auf die Anwendung der MRL verwiesen, sofern das Medizinprodukt auch der Definition einer „Maschine“ entspricht. Ist dies der Fall, gelten beide Regularien parallel, und zwar nach dem Konformitätsvermutungsprinzip, wie es im „New Approach“ der europäischen Union vorgesehen ist.

Daher dürften die Prinzipien der MVO vertraut erscheinen, egal ob von der MRL oder der MDR:

  • Jede Gesetzgebung weist verbindliche grundlegende Anforderungen auf.
  • Fällt ein Produkt unter mehrere Regularien mit Konformitätsvermutungsprinzip, sind die grundlegenden Anforderungen aller zutreffenden Regularien zu bewerten, wobei stets die strengste Anforderung gilt.
  • Nur Produkte, die die jeweils zutreffenden grundlegenden Anforderungen nachweislich erfüllen, dürfen in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden.
  • Die Anwendung von harmonisierten Normen und produktspezifischen Normen führt hierbei zu einer Konformitätsvermutung mit diesen Anforderungen.
  • Es ist ein Konformitätsbewertungsverfahren, ggf. unter Zuhilfenahme einer benannten Stelle, zu durchlaufen.
  • An dessen Ende steht immer die Konformitätserklärung, die letztlich der Hersteller zu verantworten hat.
  • Wichtig: es gibt immer nur eine Konformitätserklärung für ein Produkt und alle geltenden Regularien, die ebenfalls dem Konformitätsvermutungsprinzip unterliegen, sind hierbei aufzulisten.

Vom Grundprinzip ist also einiges gleichgeblieben. Umzusetzen ist die Maschinenverordnung für betroffene Hersteller gemäß den Fristen der Maschinenverordnung, unabhängig von den Anforderungen nach MDR/IVDR.

Umsetzungsfristen für die Maschinenverordnung

Für den Übergang von der MRL zur MVO ist eine Stichtagsregelung getroffen worden:

  • Kapitel VI „Überwachung des Unionsmarkts und Schutzklauselverfahren der Union“ ist bereits seit dem 19. Juli 2023 in Kraft
  • Ab dem 20. Januar 2027 ist zwingend und allumfänglich die MVO anzuwenden.
  • EG-Baumusterprüfbescheinigungen und Zulassungen, die gemäß Artikel 12 der Richtlinie 2006/42/EG ausgestellt bzw. erteilt wurden, bleiben bis zu ihrem Ablauf gültig.
  • Es gibt hier keine gestaffelten Fristsetzungen wie bei der MDR.

Das bedeutet in der Praxis, dass bis zum Stichtag alle betroffenen Produkte regulatorisch auf die Verordnung umgestellt sein müssen: Für jedes Produkt, das unter den Geltungsbereich der MVO fällt, muss eine entsprechende Konformitätserklärung vorliegen. Selbstverständlich müssen auch alle darunter liegenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die potentiellen Gefährdungen müssen identifiziert und durch geeignete Maßnahmen so weit wie möglich minimiert worden sein. Sprich: Sie sollten ein umfängliches Risikomanagement durchgeführt haben, im besten Fall durch Maßnahmen der inhärenten Sicherheit.
  • Basierend darauf müssen alle anwendbaren grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen identifiziert sein – insbesondere hier muss darauf geachtet werden, welche nun in der MDR/IVDR oder der MVO spezifischer sind oder zusätzlich enthalten sind.
  • Die notwendigen Nachweise und die Dokumentation, die die Erfüllung dieser Anforderungen belegt und den aktuellen Stand der Technik abbildet, müssen bzw. muss vollständig vorliegen.
  • Und nicht zu vergessen: Das Qualitätsmanagementsystem und die von der MVO betroffenen Prozesse sollten aktualisiert werden.
Neuerungen im Bereich Software und künstliche Intelligenz

Einer der Beweggründe der Kommission für die Anpassung der Gesetzgebung sind die fortschreitenden Entwicklungen im Bereich Digitalisierung, die mit einer erhöhten Wichtigkeit von Softwarelösungen und dem immer weiteren Vordringen von künstlicher Intelligenz einhergehen. Dementsprechend gibt es mehrere Änderungen, die diesem Umstand Rechnung tragen:

  • Die Definitionen wurden präzisiert – eine Gesamtheit nach Artikel 3 Absatz 1 a bis e, der lediglich das Aufspielen einer Software fehlt, ist als Maschine zu betrachten.
  • Auch eine digitale Komponente kann unter gewissen Bedingungen nun ein Sicherheitsbauteil darstellen – sprich: eine Software, die zur Gewährleistung einer Sicherheitsfunktion einer Maschine bestimmt ist, fällt unter gewissen Voraussetzungen in den Geltungsbereich der MVO. Sofern dann noch selbstlernende Systeme gemäß maschinellem Lernen zum Einsatz kommen, also künstliche Intelligenz, ist in der Konformitätsbewertung zwingend eine benannte Stelle hinzuzuziehen.
  • Bei Maschinen, die mit dem Internet verbunden werden können und bei denen Software und Daten, die für das Erfüllen der einschlägigen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erforderlich sind, vorhanden sind, muss besonderes Augenmerk auf die unbeabsichtigte oder vorsätzliche Verfälschung durch Dritte gelegt werden (Kapitel „Schutz gegen Korrumpierung“ (Anhang III, Abschnitt 1.1.9)). Die Maschine oder das dazugehörige Produkt muss so konstruiert und gebaut sein, dass der Anschluss einer anderen Einrichtung über eine beliebige Funktion der angeschlossenen Einrichtung selbst oder über eine mit der Maschine oder dem verwandten Produkt kommunizierende entfernte Einrichtung nicht zu einer gefährlichen Situation führt. Jeder Versuch muss zwecks Beweisen maschinell dokumentiert werden. Auch jedes rechtmäßige oder unrechtmäßiges Eingreifen in die Software der Maschine muss maschinell dokumentiert werden. Zusätzlich müssen Software und Daten, die für die Übereinstimmung der Maschine oder des dazugehörigen Produkts mit den einschlägigen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen von entscheidender Bedeutung sind, als solche genannt und ausreichend geschützt werden.
  • Für die Abwehr von Cyberangriffen und andere Cybersicherheitsmaßnahmen wird der Cyber Resilience Act, der in Kürze offiziell veröffentlicht werden soll, von Bedeutung sein. Im letzten Entwurf war seine Anwendung jedoch nicht für Medizinprodukte vorgesehen. Hersteller sollten sich dies jedoch noch einmal genau ansehen.
  • Die Maschine muss installierte und für den sicheren Betrieb erforderliche Software kenntlich machen und diese Informationen auch jederzeit leicht bereitstellen. Das bedeutet, dass die Cybersicherheit als wesentliches Element bei der Implementierung der Sicherheit einer Maschine behandelt werden muss. Der Hersteller muss auch die mit Software und KI-Anwendungen verbundenen Risiken bewerten, auch während der Lernphase. Während des gesamten erwarteten Lebenszyklus muss diese Sicherheit von Software und KI-Anwendungen sichergestellt werden. Das im Zusammenhang mit einem Eingreifen generierte Rückverfolgungsprotokoll der Daten, und die Sicherheitssoftwareversionen, die nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme der Maschine oder des dazugehörigen Produkts hochgeladen wurden, müssen bis zu fünf Jahre nach dem Hochladen ausschließlich für den Nachweis der Konformität der Maschine auf begründete Anforderung einer zuständigen nationalen Behörde zugänglich sein. Dier Aufbewahrungsfrist der Protokolle (einschließlich der KI-Protokolle) für Maschinen mit KI-Applikationen ist auf ein Jahr festgelegt. Bei Maschinen mit KI-Applikationen muss jederzeit das Eingreifen vom Bediener möglich sein, um die Maschine zu korrigieren.
  • Es sind erste Regelungen enthalten, schädliche Auswirkungen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz zu vermeiden. Bei der „Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen“ werden die Hersteller in die Pflicht genommen, ihr Risikomanagement so weit auszudehnen, dass auch Gefährdungen minimiert werden, die während der Lernphase von KIs auftreten könnten. An den Einstellungen oder Regeln, die für die Lernphase der KI gelten, dürfen ebenfalls nur solche Änderungen vorgenommen werden, die keine Gefährdungen hervorrufen. Somit wird von der MVO ein Rahmen für selbstlernende Systeme/künstliche Intelligenz gesteckt – der des Risikomanagements.
Pflichten und Rechte der Hersteller und Wirtschaftsakteure

Eine weitere Neuerung ist, dass die Betriebsanweisung von Maschinen künftig rein digital zur Verfügung gestellt werden darf, ebenso wie die Konformitätserklärung gem. MVO. Von Maschinenbauern wird diese Änderung als Durchbruch gefeiert, jedoch dürfte dies für Medizinproduktehersteller, die auch unter die MVO fallen, keine großen Veränderungen bringen. Bereits seit 2013 darf im Medizinproduktebereich nur unter bestimmten Bedingungen für bestimmte Produktarten eine rein digitale IFU zur Verfügung gestellt werden. Und der Wehmutstropfen bleibt in jedem Fall der Gleiche: wenn der Kunde dies wünscht, so muss ihm kostenlos eine Papierversion zur Verfügung gestellt werden. Vermutlich wird vor allem durch die digitale Form der Konformitätserklärung ein wenig Papier eingespart werden.

Die Hersteller müssen die Maschine oder das Produkt selbst mit ihrem Namen, ihrem eingetragenen Handelsnamen oder ihrer eingetragene Handelsmarke, ihrer Postanschrift, ihrer Website und ihrer E-Mail-Adresse oder einer anderen digitalen Kontaktmöglichkeit kennzeichnen. Ist das nicht möglich, sollen diese Informationen auf der Verpackung oder auf den Begleitdokumenten angegeben werden. Die Kontaktangaben sollen in einer dem Nutzer und der Marktüberwachungsbehörde verständlicher Sprache sein.

Die neue MVO enthält ein paar Klarstellungen, was die Rechte und Pflichten der Wirtschaftsakteure angeht. Diese Punkte sollten sich betroffene Hersteller genau betrachten, die eigenen Rollen klar festlegen und vor allem die Verträge mit den anderen Wirtschaftsakteuren (Bevollmächtigter, Importeur, Händler) einer Revision unterziehen. Das ist vor allem deswegen wichtig, weil die bisherige Maschinenrichtlinie einige Inhalte zum Nachweis der Konformität beim Bevollmächtigten verortet hatte, wie z.B. die Erstellung der Betriebsanleitung oder der Montageanleitung. Dies ist nun unter der MVO nicht mehr möglich. Es ist eindeutig geregelt, dass die volle Verantwortung für derartige Dokumente beim Hersteller liegt. Sicher kann der Hersteller diese Aufgaben weiterhin als ausgelagerten Prozess an den Bevollmächtigten weitergeben, dies bedarf aber einer expliziten vertraglichen Regelung und ist nicht mehr durch eine gesetzliche Vorgabe so definiert.

Importeure von unvollständigen Maschinen sollten an dieser Stelle ebenfalls genau hinsehen, denn gemäß Artikel 14 dürfen nur konforme unvollständige Maschinen eingeführt werden. Lücken, aufgrund von Verantwortungsverschiebungen könnten hier ein Risiko darstellen.

Ferner werden Importeure und Händler nun ähnlich wie im Medizinprodukterecht stärker in die Marktbeobachtung einbezogen. Sie unterliegen einer Meldepflicht gegenüber Behörden, sollten sie ein Produktrisiko erkennen.

Zuletzt sei mit Blick auf die Verantwortungen der Wirtschaftsakteure auch erwähnt, dass im Rahmen der MVO nun der Begriff der „wesentlichen Veränderung“ in Artikel 3.16) eingeführt wird. Hierbei geht es nicht wie im Medizinprodukterecht um eine grundlegende Änderung / Versionierung des Produkts durch den Hersteller. Im Rahmen der MVO bedeutet dieser Begriff eine Veränderung der Maschine, egal ob physisch oder digital, die vom Hersteller so nicht vorgesehen ist, nach dem Inverkehrbringen stattfindet und zum Beispiel neue Risiken hervorruft. Nimmt ein Wirtschaftsakteur eine solche Änderung an der Maschine vor, geht die Herstellerpflicht künftig auf ihn über. Dies wurde in Artikel 18 der MVO festgelegt.

Weitere Änderungen durch die Maschinenverordnung

Ein erfreulicher Teil der neuen Maschinenverordnung ist in jedem Fall die Klarstellung des Anwendungsbereichs. Hier gab es bislang häufig Fragestellungen was die Abgrenzung der Maschinenrichtlinie gegenüber der Niederspannungsrichtlinie (LVD) und der Richtlinie über Funkanlagen (RED) anging. So lautet der Anwendungsbereich nun wie folgt:

Diese Verordnung gilt nicht für: …die folgenden elektrischen und elektronischen Produkte, soweit sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/35/EU (Niederspannungsrichtlinie) oder der Richtlinie 2014/53/EU (Funkanlagenrichtlinie) fallen:

  • für den häuslichen Gebrauch bestimmte Haushaltsgeräte, bei denen es sich nicht um elektrisch betriebene Möbel handelt;
  • Audio- und Videogeräte;
  • Einrichtungen der Informationstechnik;
  • Büromaschinen;
  • Niederspannungsschaltgeräte und –     steuergeräte;
  • Elektromotoren

Gemäß Anhang III der MVO, Grundlegende Anforderung 1.5 1sind die Anforderungen an Schutzziele gemäß Niederspannungsrichtlinie jedoch für Maschinen anwendbar, das Konformitätsbewertungsverfahren ist jedoch nur nach MVO zu durchlaufen

Außerdem wurden strukturelle Anpassungen an den Inhalten der Anhänge vorgenommen. Beispielsweise finden sich die Grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen nun im bereits genannten Anhang III der MVO, anstatt wie bisher in der MRL im Anhang I. Daran muss man sich gewöhnen, aber das ist nicht weiter tragisch. Ebenso wie die Tatsache, dass es sich bei allen Neuerungen grundsätzlich um Detaillierungen und Ergänzungen handelt. Im Gegenteil: es ist ein großer Vorteil, dass die neuen Anforderungen nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehen, denn nur so wird es den Herstellern ermöglicht, bereits während der Übergangsphase die MVO anzuwenden, um dann pünktlich zum Stichtag konform zu sein.

Wenn Sie mit Ihrem Medizinprodukt unter die Maschinenrichtlinie/-verordnung fallen und nun denken: „Schon wieder so eine neue Verordnung“, stehen wir Ihnen gerne tatkräftig bei. Nutzen Sie die verbleibenden Übergangsfristen für die MDR/IVDR und die MVO. Gerne gemeinsam, gerne mit uns. Nehmen Sie Kontakt auf.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.