MDCG Guidance Dokumente

Im Zuge der Umstellung von MDD 93/42/EWG auf die neue MDR 2017/745 wurden die alten MEDDEV-Dokumente, die unter der MDD galten, nach und nach durch MDCG-Leitfäden ersetzt und bilden das neue Guidance-Fundament unter der MDR und IVDR. Auch wenn diese Leitfäden nicht rechtlich bindend sind, wird zur Berücksichtigung und Umsetzung geraten.

Die MDCG, ihre Aufgabe und Bedeutung

Die Medical Device Coordination Group – Koordinationsgruppe Medizinprodukte – wird durch die MDR überhaupt erst etabliert. Sie besteht aus mindestens einem, maximal zwei Experten aus jedem Mitgliedstaat und maximal zwei Stellvertretern, die alle Experten im Bereich von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika sind und auf eine Dauer von drei Jahren ernannt werden.

Neben der Erstellung von Leitlinien für die harmonisierte Umsetzung der MDR ist die Koordinationsgruppe auch an der Überwachung des technischen Fortschritts, an der Weiterentwicklung von Normen und Standards und der Bewertung Benannter Stellen beteiligt. Darüber hinaus unterstützt sie auch zuständige Behörden in verschiedensten regulatorischen Bereichen und dient der Kommission auch als Anlaufstelle, wenn es um Einzelheiten für die Arbeitsweise der Koordinationsgruppe für Benannte Stellen gemäß Artikel 49 geht. Dies zeigt somit, dass der Einfluss der MDCG auf die Umsetzung der Verordnung auf keinen Fall unterschätzt werden sollte.

Somit unterstützen die MDCG-Dokumente Hersteller, Behörden, Benannte Stellen und andere Akteure bei der einheitlichen Auslegung und Anwendung der Anforderungen der Verordnungen und liefern mitunter auch konkrete Beispiele und Anleitungen. Da die MDCG-Leitfäden von MDCG-Expertenarbeitsgruppen erstellt und anschließend von der Europäischen Kommission und der gemeinsamen Koordinierungsgruppe genehmigt werden, stellen sie stets die gemeinsame Auslegung der Anforderungen der Verordnungen durch die Behörden der Mitgliedstaaten dar. Aus diesem Grund kann ihnen eine hohe Wichtigkeit zugeschrieben werden.

Welche Themen werden mit den MDCG-Leitfäden abgedeckt?

Es werden nach und nach immer mehr MDCG-Leitfäden etabliert. Diese sind in unterschiedliche Themenfelder eingeteilt, welche auf der Übersichtsseite der European Commission Public Health zu finden sind. Im Folgenden möchten wir auf jedes einzelne Themengebiet eingehen und zeigen die wichtigen Aspekte, den Umfang und eventuelle Besonderheiten auf.

In den letzten Jahren hat sich das Themenspektrum gegenüber den früher verfügbaren Leitfäden stark weiterentwickelt. Es wird nicht mehr der Fokus auf einen einzelnen Guide gelegt, sondern auf die gesamte Thematik, die betroffen ist. Allein im Jahr 2020, beispielsweise, kamen ganze 28 neue Leitfäden hinzu, sodass bereits in der frühen Phase der Umstellung von MDD auf MDR viele MEDDEV-Leitfäden abgelöst werden konnten. Besonders in den Bereich für Clinical Investigation and Evaluation, Notified Bodies und Commission Guidance Documents hat sich viel getan. Demnach werden einige Themen ausführlicher als andere behandelt, je nachdem wie die Relevanz der jeweiligen Thematik eingestuft wird.

1. Borderline and Classification

Ob ein Gerät als ein Medizinprodukt klassifiziert werden kann oder nicht hängt stets von der Zweckbestimmung des Produkts ab. In den meisten Fällen ist eine Klassifizierung eindeutig, jedoch gibt es durchaus Produkte, die sich zwischen einem Medizinprodukt und einem Arzneimittel bewegen oder sogar Elemente von beiden miteinander verbinden. Für diese Produkte gilt es dann zu klären, welche Anforderungen zutreffen (können) und wie diese regulatorisch betrachtet werden sollen. Bereits die MDR regelt diesen Zustand und die Unterscheidung in Artikel 1, Absatz 8 und 9 zum Thema Kombinationsprodukte“. Jedoch gibt es besonders mit dem MDCG 2022-5 Leitfaden „Guidance on borderline between medical devices and medicinal products under Regulation (EU) 2017/745 on medical devices“ eine ausführliche Hilfestellung zu diesem Thema und detaillierte Kriterien und Grundsätze für die Entscheidung, ob ein Produkt als Medizinprodukt oder als Arzneimittel eingestuft werden sollte. Somit ist besonders dieser Leitfaden für Hersteller, Benannte Stellen, zuständige Behörden und andere Akteure von grundlegender Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Produkte angemessen klassifiziert und reguliert werden. Darüber hinaus werden Hersteller ermutigt, sich mit den zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen und sich bereits in einem frühen Stadium des Entwicklungsprozesses beraten zu lassen, wenn Unsicherheiten hinsichtlich der Einstufung ihres Produkts bestehen.

2. Class I Devices

Dieses Themenfeld besteht aktuell lediglich aus zwei Leitfäden, welche eine kurze Anleitung für Hersteller von Klasse I Produkten geben, insbesondere auch für die Übergangsphase von der MDD auf die MDR. Auch wenn Klasse I Produkte nicht von einem Notified Body zertifiziert werden, müssen diese natürlich auch die zutreffenden Anforderungen erfüllen. So boten die Leitfäden gerade in der Übergangszeit oder der Umstellung auf die MDR eine gute Anlaufstelle, bei etwaigen Fragen zur Umsetzung der Regelungen und bleiben für Klasse I Hersteller auch weiterhin relevant.

3. Clinical investigation and evaluation

Da in der MDR der Umfang und die Gewichtung der klinischen Bewertung deutlich an Bedeutung gewonnen hat – im Vergleich zur MDD – ist zu diesem Thema der Bedarf an Guidance-Dokumenten besonders hoch.

Dabei sind vor allem zwei der ersten Leitfäden relativ wegweisend. Dies ist zum einen der MDCG 2020-6 „Clinical evidence needed for medical devices previously CE marked under Directives 93/42/EEC or 90/38/EEC” und der MDCG 2020-5 „Clinical Evaluation – Equivalence: A guide for manufacturers and notified bodies”. Im ersten Leitfaden werden Handlungsempfehlungen aufgezeigt, welche es erleichtern sollen, klinische Daten zum Nachweis der Konformität mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR zu identifizieren. Dabei sind die klinischen Daten essenziell, denn sie werden im Rahmen der technischen Dokumentation für bereits am Markt befindliche Medizinprodukte benötigt. In einem unserer Artikel zeigen wir, wie man mit Daten etablierter Medical Devices im weiteren Einsatz umgehen kann und sich dabei nach den Vorgaben dieses MDCG-Guides richtet.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Äquivalenzbetrachtung von Medizinprodukten. Dabei gibt der MDCG 2020-5 Hilfestellung. Das Dokument widmet sich den Unterschieden zwischen MDR und MEDDEV 2-7/1 Rev. 4, welche sich vor allem in den Bewertungskriterien für Äquivalenz bei technischen, biologischen und klinischen Charakteristika zeigt. Dabei ist vor allem in der Übergangsphase eine Hilfestellung bei der Äquivalenzbetrachtung von Medizinprodukten im Detail ein wichtiger Schritt.

Darüber hinaus werden in diesem Themenfeld noch Aspekte wie der Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) Plan und Report näher betrachtet, Safety Reporting und Hilfestellung für ausreichende Evidenz bei Legacy Devices. So kann die Summe der Leitfäden auch hergenommen werden, um eine konkrete Anleitung für die Sammlung klinischer Daten, die Durchführung systematischer Literaturübersichten und die Bewertung klinischer Daten aus verschiedenen Quellen zu erhalten. Damit betont die MDCG, wie wichtig es ist, solide klinische Nachweise für die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten zu erbringen. Nicht zuletzt wurde im Mai 2023 ein Commission Guidance (2023/C 163/06) „on the content and structure of the summary of the clinical investigation report“ veröffentlicht, welcher die genauen Gliederungspunkte des Reports vorgibt und ein Format, welches einfach und verständlich für den Endanwender gestaltet ist. Im Großen und Ganzen geht es jedoch nicht über die bereits in der MDR aufgelisteten Anforderungen in Tabellenform hinaus.

4. COVID-19

Besonders in der Anfangsphase im Jahr 2020 der Pandemie, wurden einige Leitfäden veröffentlicht. Die darin behandelten Themen widmen sich vor allem, den „Regulatory requirements for ventilators and related accessories“ (MDCG 2020-9) oder anderen Anforderungen an medizinische Gesichtsmasken, In-vitro-Diagnostika und persönliche Schutzausrüstung – Themen, die zu Beginn der Pandemie von hoher Relevanz waren. Des Weiteren spielte während der Pandemie der 3D-Druck auch eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung bestimmter Herausforderungen. So mussten schnell Überlegungen zur Regulierung und Qualitätskontrolle aufgestellt werden, um die Sicherheit und Wirksamkeit von 3D-gedruckten medizinischen Produkten oder Ausrüstung zu gewährleisten. Der 3D-Druck wurde deshalb so wichtig, da er insgesamt eine gewisse Flexibilität gezeigt hat und die Fähigkeit hatte auf dringende Bedürfnisse, wie die Unterbrechung der Lieferketten, Unterstützung bei der Produktion persönlicher Schutzausrüstung oder dem Überbrücken von Lieferengpässen, schnell zu reagieren. Dabei hat vor allem die Leitlinie zum „Conformity assessment procedures for 3D printing and 3D printed products to be used in a medical context for COVID-19” eine gute Hilfestellung geboten. Im weiteren Verlauf der Pandemie, wurden 2021 vor allem Guidances an die Hersteller von In-vitro-Diagnostica veröffentlicht, um auch den Umgang mit den mutierten Versionen des Virus zu regeln und die Sicherheit und Wirksamkeit der Produkte in diesem neuen Umfeld weiterhin sicherzustellen (MDCG 2021-7 und MDCG 2021-21 Rev. 1).

5. Custom-Made Devices

Der MDCG 2021-3 Leitfaden ist in einem simplen Q&A-Format gehalten, um gezielt Informationen zu Custom-Made Devices zu liefern, welche darin auch konkret definiert werden. Dies ermöglicht den Herstellern direkt zu den gesuchten Informationen zu gelangen und liefert gleichzeitig auch konkrete Beispiele.

6. EUDAMED

Am 01.12.2020 ging mit dem Actor Registration Module das erste Modul der EUDAMED-Datenbank online. Vor der Freischaltung des Actor-Registration-Moduls wurde ein Positionspapier der MDCG zur Benutzung dieses Datenbankmoduls und der damit generierten Single Registration Number (SRN) zur Verfügung gestellt, um sich mit dem Modul vertraut zu machen, MDCG 2020-15. Seitdem sind noch zwei weitere Leitfäden erschienen, welche jeweils für Medizinprodukte (MDCG 2021-1 Rev. 1) und In Vitro-Diagnostika (MDCG-2022-12) beschreiben, wie unter Vorgabe einer harmonisierten Verwaltungstechnik und alternativer technischer Lösungen bis zu dem Zeitpunkt, an welchem die EUDAMED vollständig funktionsfähig sein wird, verfahren werden soll.

Bekannterweise müssen in der EUDAMED nicht nur die Hersteller registriert werden, sondern auch andere Wirtschaftsakteure, wobei in der Vergangenheit auch immer wieder Unklarheit herrschte. Dem wird mit dem MDCG 2021-13 Rev. 1 „Questions and answers on obligations and related rules for the registration in EUDAMED of actors other than manufacturers, authorized representatives and importers subject to the obligations of Article 31 MDR and Article 28 IVDR” entgegengewirkt.

Aktuell sind keine weiteren Leitfäden für die EUDAMED geplant, bleibt abzuwarten wie es sich damit verhalten wird, nachdem die EUDAMED ihre volle Funktionalität erhalten hat und alle Module freigeschaltet sein werden.

7. European Medical Device Nomenclature (EMDN)

Mit der European Medical Device Nomenclature wird eine Europäische Nomenklatur eingeführt, die von Herstellern bei der Registrierung ihrer Medizinprodukte in der EUDAMED verwendet werden soll. Als Grundlage für die Struktur der EMDN dient die italienische Nomenklatur „Classificazione Nazionale Dispositivi medici“ (CND). Details zu den Prinzipien und zum Hintergrund von CND und EMDN finden sich hier.

The CND nomenclature – Background and general principles

The EMDN – The nomenclature of use in EUDAMED

Mit einem eigenen FAQ-Dokument (MDCG 2021-12) werden die wichtigsten Aspekte der EMDN zur Unterstützung in der Benutzung der EUDAMED erläutert. Somit ist die Nomenklatur besonders für Hersteller bei der Registrierung ihres Produkts in der Datenbank als auch bei der Zuteilung der UDI-DI relevant. Darüber hinaus spielt die EMDN auch eine wichtige Rolle in der zum Produkt gehörigentechnischen Dokumentation, da sie unter anderem auch die Hauptbeschreibung des Produkts unterstützt und ein Sampling Kriterium sein kann. Wichtig ist, dass die EMDN nicht mit der GMDN (Global Medical Device Nomenclature) verwechselt wird, welche außerhalb Europas weiterhin von Relevanz ist. Es besteht keine Korrelation zwischen den Nummernkreisen.

8. Implant card

Artikel 18 der MDR beschäftigt sich mit Vorgaben an Hersteller von implantierbaren Medizinprodukten. Hersteller müssen zusammen mit solch einem Produkt Informationen zur Verfügung stellen, welche die Identifizierung des Produkts ermöglichen einschließlich der Produktbezeichnung, der Serien- sowie Losnummer, der UDI, des Produktmodells sowie den Namen und Anschrift des Herstellers. Mit MDCG 2019-8 v2 „Guidance document implant card on the application of Article 18 Regulation (EU) 2017/745 on medical devices“ und MDCG 2021-11 „Guidance on Implant Card – Device types“ wird gezielt Hilfestellung bei der Umsetzung dieser Anforderungen der MDR gegeben.

9. In-house devices

Medizinprodukte können innerhalb von EU-Gesundheitseinrichtungen in nicht-industriellem Maßstab hergestellt und verwendet werden (In-house devices), um den spezifischen Bedürfnissen von gewissen Patientengruppen gerecht zu werden, die von einem gleichwertigen, auf dem Markt erhältlichen Produkt mit CE-Kennzeichnung nicht auf dem entsprechenden Leistungsniveau erfüllt werden können. Demnach treffen auch viele Anforderungen der MDR oder IVDR auf In-house devices nicht zu. Dennoch gibt es in Artikel 5(5) einige Aspekte, welche eingehalten werden müssen, um das höchste Maß an Sicherheit und Wirksamkeit solcher Produkte zu gewährleisten. MDCG 2023-1 „Guidance on the health institution exemption under Article 5(5) of Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746” gibt dazu konkrete Anleitung.

10. Authorised Representatives, Importers, Distributors

Da gewisse Anforderungen nur oder speziell für Importeure, Händler oder Authorised Representatives gelten, gibt es für diese Akteure auch eigene Leitfäden, die bei der Umsetzung unterstützen. Der MDCG 2021-26 geht dabei insbesondere auf die Umverpackung und Umkennzeichnung von Produkten ein – „Q&A on repackaging and relabelling activities under Article 16 of Regulation (EU) 2017/745 and Regulation (EU) 2017/746“.

Allerdings weist die MDCG in der Einleitung zu dem Guide selbst darauf hin, dass die Informationen als nicht vollständig gelten und immer in Zusammenhang mit der MDR und anderen möglichen Anforderungen gelesen werden sollen. Dennoch erhält man eine sehr praxisnahe Anleitung zur Umsetzung der Pflichten als Händler, Importeur oder Bevollmächtigter. Grundsätzlich sind diese Leitfäden für jeden Wirtschaftsakteur als Teil der Vertragsverhandlungen von Interesse.

11. In Vitro Diagnostic medical devices (IVD)

Ein sehr ausführliches Themenfeld mit ganzen 12 Leitfäden findet man für die In-vitro Diagnostika – und einige sind noch in weiterer Planung. Im Prinzip werden damit alle wichtigen Einzelthemen abgedeckt. So gibt es unterstützende Dokumente zu:

  • Klassifizierung von IVDs auf der Grundlage von Risiko, Leistungsmerkmalen und Verwendungszweck (MDCG 2020-16 Rev. 2),
  • Informationen über die Konformitätsbewertungsverfahren, einschließlich der Einbeziehung von Benannten Stellen (MDCG 2021-22 rev. 1)
  • Anleitung zu Durchführung von Leistungsbewertungen und klinischen Leistungsstudien zum Nachweis der Sicherheit und Leistung von IVDs, als auch ein Leitfaden zur Erstellung und Bewertung klinischer Nachweise, einschließlich der Datenerfassung, Studiendesign und klinischer Prüfungen (MDCG 2022-2)
  • Anforderungen an Überwachungsaktivitäten nach dem Inverkehrbringen, einschließlich Vigilanzberichten und laufender Überwachung von IVDs auf dem Markt
  • Informationen darüber, wie Benannte Stellen IVDs auf Konformität mit den IVDR-Anforderungen bewerten
  • Leitlinien zu den Anforderungen an die Kennzeichnung und den Inhalt von Gebrauchsanweisungen, als auch Informationen zur Implementierung von UDI-Systemen zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit
  • Klassifizierungsansätze und Regulierung von IVD-Software

Besonders für die Übergangsphase gibt es auch einige Leitfäden, welche den Umgang mit Legacy Devices regeln. MDCG 2021-4 „Application of transitional provisions for certification of class D in vitro diagnostic medical devices according to Regulation (EU) 2017/746“ und MDCG 2022-8 „ Regulation (EU) 2017/746 – application of IVDR requirements to ‘legacy devices’ and to devices placed on the market prior to 26 May 2022 in accordance with Directive 98/79/EC “. Auch das Thema von etwaigen Änderungen am Produkt in der Übergangsphase wird mit dem MDCG 2022-6 reguliert.

12. New technologies

Im Bereich New Technologies wurde der steigenden Bedeutung von Software Rechnung getragen, vor allem das Thema der Cybersecurity rückt in diesem Zusammenhang immer mehr in den Vordergrund. Mit MDCG 2019-16 rev. 1 „Guidance on cybersecurity for medical devices“ werden die Grundlagen für den Umgang mit diesem immer stärker relevanten Thema gelegt. Die Relevanz dieses Aspekts steigt vor allem, da mit der neuen MDR und IVDR verstärkt sichergestellt werden soll, dass die auf den EU-Markt gebrachten Medizinprodukte für die neuen technologischen Herausforderungen im Zusammenhang mit Risiken der Cybersecurity geeignet sind. In dieser Hinsicht sind neue grundlegende Sicherheitsanforderungen für alle Medizinprodukte festgelegt, die elektronische programmierbare Systeme und Software enthalten. Damit werden die Hersteller verpflichtet, ihre Produkte nach dem Stand der Technik zu entwickeln und herzustellen und dabei die Grundsätze des Risikomanagements zu berücksichtigen, einschließlich der Informationssicherheit, sowie Mindestanforderungen an IT-Sicherheitsmaßnahmen und dem Schutz vor unbefugtem Zugriff.

13. Notified bodies

Bereits 2019 und 2020 waren viele Dokumente in diesem Themenfeld vorhanden, es stellt einen weiteren großen ausführlichen Themenblock dar. Denn es ist essenziell Leitlinien und Anweisungen für die Tätigkeit und Zuständigkeit der Benannten Stellen darzustellen, da sie eine entscheidende Rolle im Konformitätsbewertungsverfahren von Medizinprodukten und IVDs spielen. So decken die Dokumente der Koordinierungsgruppe eine Reihe von Problemstellungen ab und geben Hinweise, wie Benannte Stellen ihre Aufgabe in Übereinstimmung mit der MDR und IVDR erfüllen sollten, aber auch welche Anforderungen an Notified Bodies gestellt werden und wie die Benennung zu solch einer Stelle erfolgt. Darüber hinaus wird damit beigetragen Konsistenz und Harmonisierung bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften innerhalb der Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Neuheiten behandeln unter anderem den Umgang mit MDSAP Audit Report (MDCG 2020-14) oder Ausnahmeregelungen in Bezug auf Audits Benannter Stellen während der COVID-19 Pandemie (MDCG 2020-17 und 2020-4). Da es für letzteres auch ein eigenes Themenfeld gibt, ist es nochmals stärker relevant, dass hierbei auch die Handlung der Benannten Stellen reguliert wird.

Unter der Auflistung befinden sich auch einige NBOG Papiere, welche Best Practice Guides der Notified Body Operations Group darstellen und dabei unterstützen sollen, die generelle Leistung der Benannten Stellen zu verbessern.

14. Post-Market Surveillance and Vigilance (PMSV)

Bisher ist das Thema der Post-Market Surveillance mit nur zwei Leitfäden eher dünn besetzt. Allerdings sind einige weitere Guidance Documents in Planung, denn durch die MDR hat auch dieses Thema an größerer Relevanz gewonnen und wird zu einem wichtigen Element für Medizinprodukte jeder Klasse. Eine wichtige Leitlinie behandelt den Periodic Safety Update Report, welcher in der PMS einen zentralen Punkt darstellt, MDCG 2022-21 „Guidance on Periodic Safety Update Report (PSUR) according to Regulation (EU) 2017/745“. Für die Klärung der Vorgehensweise bei Vigilanz-Themen gibt es ein „Questions and Answers on vigilance terms and concepts as outlined in the Regulation (EU) 2017/745 on medical devices“ MDCG-2023-3. Die weiteren Dokumente werden auch einen Fokus auf Post-Market Surveillance im Zusammenhang mit IVDs legen, als auch eine Zusammenfassung der allgemeinen Anforderungen an PMS-Prozesse liefern.

Die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses dieser Begriffe und Konzepte ist notwendig für eine wirksame und harmonisierte Umsetzung der Vigilanzanforderungen der MDR und der Beobachtung nach dem In Verkehr bringen.

15. Standards

Ein kurzes, aber dennoch wichtiges Thema, welches die verschiedenen Aspekte im Zusammenhang mit Normen im Bereich der Medizinprodukte zur Unterstützung der in den geltenden EU-Rechtsvorschriften festgelegten Anforderungen behandelt. Dazu gibt es den „Guidance on standardisation for medical devices“ MDCG 2021-5.

16. Unique Device Identifier (UDI)

Eine komplexe Thematik, welche vor allem in der Übergangsphase zur MDR für viele Fragezeichen gesorgt hat: das UDI-System. Darum ist es umso wichtiger hier eine Vielzahl von Leitfäden zu haben, um die Umsetzung konkret zu verstehen. Zu Beginn wurden allgemeine, jedoch aktualisierte Leitfäden zur UDI für Systeme und Behandlungseinheiten (MDCG 2018-1 v3) veröffentlicht sowie zu UDI-DI und darauf bezogene Änderungen (MDCG 2018-3 Rev1). Weitere spezifische Leitfäden behandeln die Produktgruppe der Sehhilfen.

Neben Leitfäden die generell aufzeigen, wie das UDI-System implementiert werden kann (MDCG 2019-2, MDCG 2019-1 oder MDCG 2022-7), gibt es auch spezifische Dokumente, die beispielsweise die Implementierung des UDI Systems in das Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens thematisieren (MDCG 2021-19). So werden auch hier zu jedem Thema Einzelheiten zur Anwendung und praktischen Umsetzung der UDI-Anforderungen gegeben.

Wie navigiere ich nun korrekt durch all die Leitfäden?

Die Gliederung der gesamten Leitfäden in einzelne Themenfelder stellt einen hilfreichen Orientierungspunkt dar. Denn so kann man als Suchender relativ schnell an seine Informationen gelangen. Allerdings gilt es zu beachten, dass bei gewissen Themen Informationen auch über ein gewisses Themenfeld hinaus vorhanden sein können und auch für die persönliche Situation relevant sind. Dies ist insbesondere bei IVD-Themen der Fall, wo nicht nur in diesem expliziten Themenblock gesucht werden sollte, sondern auch darüber hinaus. Viele Informationen, welche für IVD-Hersteller relevant sind, finden sich auch in Themenfeldern wie der PMS oder Vigilance wieder, was bedeutet, dass man auch diese näher betrachten muss, um zu erfahren, welche relevanten Anforderungen dort noch vorhanden sind.

Ein weiteres Beispiel zur Verdeutlichung betrifft auch die Covid-19 Thematik. Es gibt dafür ein eigenes Themenfeld, wenn es jedoch z.B. um Audits durch Benannte Stellen während der Pandemie oder einer Pandemie-ähnlichen Situation geht, muss im Themenfeld zu den Notified Bodies selbst recherchiert werden.

Sogar in Fällen, in denen die MDCG-Leitliniendokumente nicht vollständig für die Situation Ihres Produkts geeignet sind, kann ein einzelnes Leitliniendokument einen Einblick in die Grundsätze der Auslegung der Verordnungen geben.

Legal Status – bin ich dazu verpflichtet die Leitfäden zu befolgen?

Die MDCG-Leitfäden, welche die Umsetzung der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung thematisieren, sind nicht rechtsverbindlich. Außerdem werden mit den Leitfäden der Koordinierungsgruppe keine neuen Anforderungen eingeführt, die nicht bereits in den Verordnungen enthalten sind. Allerdings wird ihre Anwendung jedoch allgemein erwartet. So wird unter anderem durch Anwendung der Leitfäden Artikel 105 der MDR umgesetzt, in dem sie unter anderem zu einer „wirksamen und harmonisierten Durchführung der Verordnung“ beitragen sollen.

Darüber hinaus kann es durchaus sein, dass einzelne Notified Bodies zu einer Befolgung der Leitfäden anleiten, oder dies zumindest stark empfehlen, wodurch die Relevanz der Dokumente steigt. Allgemein wird jedoch versucht einen Konsens dahingehend zu erreichen, dass eine Anwendung hinreichend begründeter Lösungen möglich ist, welche gewährleisten, dass das Gesamtziel des Leitfadens durch den Hersteller eingehalten wird.

Relevanz der sprachlichen Ebene

Im Gegensatz zu anderen Dokumenten, wie den Gesetzestexten, gibt es die MDCG-Leitfäden lediglich in englischer Sprache. Dies erscheint im ersten Moment als kein großartiges Hindernis, jedoch ist dennoch Vorsicht geboten.

Bei der Anwendung der Leitfäden sollte stets auf die verwendete Terminologie geachtet werden. Die Bedeutung einzelner Begriffe ist zwar allgemein festgelegt, jedoch kann in einem anderen Kontext schnell eine andere Nuance hinzukommen, wie es das Beispiel der Verwendung der Begriffe „intended use“ und „intended purpose“ zeigt. Beim Vergleich der Benutzung dieser Begriffe in der englischen und deutschen Version der MDR können gewisse Unterschiede aufgezeigt werden. Es handelt sich hierbei nicht immer um grundlegende Differenzen, jedoch ist es ratsam da genauer hinzuschauen und dies zu beachten.

Aus diesem Grund ist es wichtig, abschätzen zu können, wie bestimmte Begriffe innerhalb der MDCG-Leitfäden genutzt werden und ob die Bedeutung, mit der Verwendung innerhalb der MDR gleichzusetzen ist. Feine Unterschiede können hierbei den entscheidenden Punkt machen. Demnach sollte man die Anwendungsmöglichkeit der Begriffe gut hinterfragen und nicht blind gebrauchen. Im Notfall können auch eigene Anwendungsmöglichkeiten definiert werden, wobei dies stets gut dokumentiert werden sollte.

Zusätzliche Dokumente neben der MDCG

Neben den MDCG-Leitfäden gibt es aber auch noch weitere Guidance Dokumente, die eine wichtige Rolle spielen können. So ist relevantes Material vom NBOG, Team NB und Leitfäden der EU Kommission (Commission guidance Documents) vorhanden. Insbesondere die NBOG Best Practice Guides werden von der MDCG befürwortet und können teilweise auch im Zusammenhang mit den MDCG Dokumente erscheinen. So werden diese oftmals auch zusammen mit Commission guidance Documents in der allgemeinen Auflistung der MDCG Leitfäden aufgeführt. Zusätzlich werden bei bestimmten Themen auch noch relevante Positionspapiere des Team NB angebracht. Damit setzt sich das Team-NB auch aktiv für die Transparenz der Benannten Stellen ein und fördert gleichzeitig die kontinuierliche Verbesserung und Entwicklung von Produkten.

In der Zeit der COVID-19 Pandemie wurden beispielsweise eine Reihe nützlicher Guides von der Kommission veröffentlicht, dich sich mit dem im Pandemie-Kontext besonders stark nachgefragten Bereichen der Medizinprodukteindustrie, wie Gesichtsmasken, persönliche Schutzausrüstung (PSA), In-vitro-Diagnostika (IVD) oder dem 3D-Druck befassen.

Ausblick und weitere Planung

Wer meint, dass es bereits ausreichend MDCG-Leitfäden gibt, der kann eines Besseren belehrt werden. In einer Auflistung der MDCG mit dem Stand von März 2023 werden noch zahlreiche Leitfäden für das Jahr 2023 angekündigt. Darunter wird es vor allem weitere Ergänzungen in den Themenfeldern Notified Bodies Oversight (NBO), Post-Market Surveillance and Vigilance (PMSV) und In Vitro Diagnostic Medical Devices (IVD) geben. Insbesondere im letztgenannten Themenbereich sind bereits einige Leitfäden in konkreter Bearbeitung. Wie bei vielen Planungen, sind die in der Auflistung der MDCG Subgroups angegebenen Daten natürlich nur Richtwerte und es bleibt abzuwarten, wann die Arbeit an diesen Leitfäden beendet werden wird.

Dennoch kann in den nächsten Jahren noch mit zahlreichen Beiträgen der MDCG gerechnet werden, aber auch mit Updates zu bereits bestehenden Leitfäden, um weitere aktuelle Entwicklungen aufzunehmen.

Wenn Sie wissen möchten, welche Leitfäden in Ihrem Fall Anwendung finden und wie man sich bei der Vielzahl der unterschiedlichen Leitfäden überhaupt zurechtfinden kann, wenden Sie sich zur Unterstützung an unsere Experten der seleon GmbH. Wir begleiten Sie gerne abei der Auswahl relevanter Leitfäden und korrekten Interpretation der Anforderungen.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben und Auflistungen nicht den Anspruch der Vollständigkeit haben, ohne Gewähr sind und der reinen Information dienen.